Berlin - Es ist noch nicht lange her, dass Klara Geywitz anders behandelt wurde als ein Mann an ihrer Stelle. Im vergangenen Jahr, als sie sich gemeinsam mit dem Finanzminister Olaf Scholz um den SPD-Vorsitz bewarb, schrieb ein Journalist über ihre grüne Jacke. „Da war ich ehrlich gesagt bestürzt“, sagt die Politikerin. „Ich habe das nicht verstanden.“
Vorsitzende wurde sie nicht, aber seit acht Monaten gehört die 44-Jährige dem SPD-Parteivorstand an. Zuvor war sie 15 Jahre lang Abgeordnete des Landtags in Potsdam. Als stellvertretende Bundesvorsitzende der Sozialdemokraten ist sie für frauenpolitische Themen und Gleichstellung zuständig. Seit dem Beginn ihrer politischen Karriere hat sich für Frauen einiges geändert, doch noch nicht genug.
Als Geywitz 1994 Stadtverordnete wurde, stieß sie auf eine Förderin. „Ich hatte damals das Glück, eine besonders coole Fraktionsvorsitzende zu haben, die aus einem feministischen Hintergrund besonders junge Frauen gefördert hat.“ Standard war das nicht. Denn die Mitglieder von damals waren auch Neulinge im System der Bundesrepublik. „Jetzt gibt es die Generation, die sich schon zur Ruhe gesetzt hat und Zeit hat, Mentoren-Funktionen auszuüben und jungen Ambitionierten auch mal den Rücken zu stärken“, erklärt Geywitz.
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Als Abgeordnete hat sie maßgeblich am Paritätsgesetz mitgewirkt. Dass dieses vor dem Landesverfassungsgericht Bestand haben wird, bezweifelt sie nicht. Sie argumentiert mit dem Grundgesetz, in dem es heißt, dass der Staat Gleichberechtigung herzustellen hat. „Dem Staat kann es nicht egal sein, wenn es Bereiche in der Gesellschaft gibt, in denen ganz offensichtlich keine Gleichberechtigung herrscht. Aus diesem Anspruch auf Gleichstellung folgt ein Handlungsauftrag.“ Doch nicht nur Frauen kämpfen für ihre gleichberechtigte Teilhabe. „Gerade bei jungen Männern besteht ein anderes Verhältnis zu der Frage der Geschlechterzuständigkeiten. Männer sind heute durchaus daran interessiert, Zeit mit ihrer Familie zu verbringen.“ Von einer Gleichstellung würden somit alle profitieren.
Auf Bundesebene war die Potsdamerin bis zum vergangenen August nur wenigen Menschen bekannt. Sie war die „Quotenfrau“ an der Seite von Olaf Scholz. Der Begriff, den die einen gern als Schimpfwort nutzen, ist für Geywitz nicht negativ behaftet. „Wenn man sich anguckt, dass 70 Prozent in den Parlamenten Männer sind, dürfte man kaum unterstellen, dass es das Ergebnis einer strikten Bestenauslese ist“, argumentiert sie. „Die Quote versucht eine strukturelle Unterrepräsentanz von Frauen mit einem harten Instrument zu durchbrechen, weil Frauen eben nicht per se die gleichen Aufstiegschancen haben.“
Strukturen sind es, die Geywitz, Mutter von Grundschulkindern, ändern will, um Frauen den Weg in die Politik zu ebnen: Mutterschutz, Online-Zeit, machbare Arbeitszeit. Sie hat selbst frauentypische Hürden nehmen müssen. Während andere Mütter nach einer Geburt in Elternzeit gehen, blieb sie nur wenige Wochen zu Hause. „Ich war als übernächtigte Zwillingsmutter jeden Tag auf Arbeit. Das ist ein Problem, mit dem sich Männer weniger rumschlagen.“ Außerdem halt Geywitz die ausgeprägte Präsenzkultur für reformbedürftig. „Es gibt unglaublich viele Abend- und Wochenendveranstaltungen. Die Arbeitszeiten im Bundestag sind für Menschen, die keine Pferdegesundheit haben, kaum noch zu stemmen“, kritisiert sie. Deshalb plädiert sie auch für mehr Online-Abstimmungen. In den Corona-Monaten hat sich gezeigt, dass es funktionieren kann.