Gastbeitrag von Außenminister Frank-Walter Steinmeier: Gegen die Angststarre im Anti-Terror-Kampf
Die Terroranschläge von Paris vom 13. November haben nicht nur Frankreich, sondern ganz Europa im Herzen getroffen. Für mich ist klar: Die Antwort kann nicht lauten, zu Hause zu bleiben und die Fensterläden zu verrammeln. Unsere Lebensweise und unsere offene Gesellschaft aufzugeben, hieße, den Terroristen in die Hand zu spielen.
Unsere Antwort muss in erster Linie eine politische sein: Nach innen mehr Wachsamkeit und ein Ausbau der Kooperation der Sicherheitsbehörden mit unseren Partnern. Wir müssen uns entschlossen gegen Ausgrenzung stellen und unsere Integrationsanstrengungen auf allen Ebenen verstärken. Entscheidend ist aber, dass wir das Übel des islamistischen Terrorismus, das Übel von ISIS, an der Wurzel packen, und zwar dort, wo es entstanden ist, im Irak und in Syrien.
In der Nacht der Attentate haben wir Frankreich versprochen, an seiner Seite zu stehen. Wir stehen in der Verantwortung, dieses Versprechen einzulösen. Wir haben letzte Woche entschieden, dass ein Teil davon auch ein militärischer Beitrag zum Kampf gegen ISIS ist.
Wir alle wissen: Terrorismus lässt sich nicht mit Bomben besiegen – aber wir wissen eben auch, dass die Bedrohung durch ISIS ohne militärische Mittel nicht zu stoppen sein wird und sonst in einem Jahr nichts mehr übrig sein könnte, was noch einer politischen Lösung zugänglich wäre.
In den letzten beiden Tagen habe ich den Irak besucht. Dort ist es im letzten Jahr gelungen, ISIS aus einem Viertel seines Territoriums zu vertreiben. Dennoch: Die schwersten Aufgaben stehen noch bevor. Entscheidend für den Erfolg unserer politischen Strategie sind vor allem drei Dinge:
Entscheidend sind drei Dinge
Zum einen die Unterstützung derjenigen, die sich ISIS entgegenstellen. Die Entscheidung im letzten Sommer, die Peschmerga mit Waffen und Munition zu versorgen, war nicht ohne Risiko, aber sie war richtig. Vor drei Wochen haben die Peschmerga die Stadt Sindschar – wo ISIS im letzten Sommer entsetzliche Massaker an den Jesiden angerichtet hat – wieder befreit, auch dank unserer Unterstützung. Und Fakt ist auch: Der Vormarsch von ISIS wäre nicht zu stoppen gewesen ohne die Luftschläge der Alliierten.
Zweitens wissen wir aus vergangenen Konflikten, wie wichtig es ist, in den von ISIS zurückeroberten Gebieten das Vertrauen der Bevölkerung wiederzugewinnen. Deshalb investieren wir in die Stabilisierung dieser Regionen, bauen Polizei, Schulen, Strom- und Wasserversorgung auf. Nach der Befreiung der Stadt Tikrit konnten so auch dank deutscher Hilfe über 150.000 Menschen in ihre Häuser zurückkehren. Das dritte Element ist das schwierigste und zugleich das wichtigste: Denn die politischen Konflikte und das Chaos, die die Ausbreitung von ISIS erst ermöglicht haben, sind mit militärischen Mitteln nicht zu beseitigen.
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