China-Expertin: China beschuldigt die USA, am Ukraine-Krieg eine Mitschuld zu tragen
Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping besucht Putin. Könnte nun der große Friedensdurchbruch im Ukraine-Krieg kommen? Ein Gespräch mit China-Expertin Genia Kostka.

Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping reist kommende Woche nach Russland, um sich mit Präsident Wladimir Putin zu treffen. Der Besuch könnte weitreichende Auswirkungen auf Moskaus Krieg in der Ukraine und die gestörten Beziehungen zwischen Peking und Washington haben. Wir sprachen mit Genia Kostka, China-Expertin und Professorin an der Freien Universität Berlin.
Berliner Zeitung: Frau Kostka, Xi Jinping trifft am Montag in Moskau ein und trifft Wladimir Putin. Was versprechen Sie sich von den Verhandlungen? Meint es China ernst mit der Vermittlerrolle?
Genia Kostka: Geplant sind ein Meinungsaustausch im Hinblick auf die Vertiefung der chinesisch-russischen Partnerschaft und strategischen Kooperation und das Unterschreiben einiger wichtiger bilateraler Abkommen. Der Besuch ist gleichzeitig die erste Auslandsreise in der kürzlich angetretenen dritten Amtszeit des chinesischen Präsidenten Xi. Somit kann der Besuch als starkes Zeichen der Unterstützung Pekings für Moskau gewertet werden. Laut des chinesischen Außenministeriums besteht die chinesische Position im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine jedoch weiterhin darauf, auf Frieden in der Ukraine zu drängen und Gespräche zu fördern. Es kann also gleichzeitig auch sein, dass China den Besuch nutzen wird, um sich im Ukraine-Konflikt als Friedensvermittler zu positionieren und um auf eine politische Lösung hinzuarbeiten. Nach dem Besuch bei Putin plant Xi ein Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Zelenskyj, welches voraussichtlich virtuell stattfinden wird. Das Treffen zwischen Putin und Xi dient also dazu, die chinesisch-russischen Beziehungen zu stärken und der Welt zu zeigen, dass China und Russland enge Partner sind. Bei der Reise nach Russland geht es für Xi innenpolitisch auch darum, sich selbst gut zu präsentieren, nachdem er nun seine dritte Amtszeit als chinesischer Präsident antritt. Im Hinblick auf die Rolle Chinas als Vermittler im Ukraine-Konflikt bleibt abzuwarten, ob es tatsächlich zu einem direkten Gespräch zwischen Xi und Zelenskyj kommen wird und worüber gesprochen wird. Sollte solch ein Gespräch stattfinden, könnte sich China noch stärker als bisher als Vermittler inszenieren.

In Deutschland wird China dafür kritisiert, Wladimir Putin und dessen Krieg vage zu unterstützen. Ist die Kritik berechtigt?
China leistet diplomatische Unterstützung für Russland und hat sich bisher geweigert, den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu verurteilen oder als solchen zu bezeichnen. Außerdem wurde die wirtschaftliche und die militärische Zusammenarbeit vertieft durch verstärkten Handel und das Abhalten regelmäßiger gemeinsamer militärischer Übungen. Mittlerweile gibt es auch Hinweise auf direkte Waffenlieferungen Chinas nach Russland. Daher ist die Kritik berechtigt, das Peking nicht alle Mittel genutzt hat, Druck auf Russland auszuüben, sondern im Gegenteil, China hat die Situation ganz klar für wirtschaftliche und politische Eigeninteressen genutzt. Chinas Position muss vor dem Hintergrund der Spannungen mit den USA eingeordnet werden. Angesichts des Handelskrieges mit den USA möchte sich China schlicht nicht von Russland distanzieren. Wenn sich China an den internationalen Sanktionen gegen Russland beteiligte, würde das einer Unterwerfung gegenüber den USA gleichkommen. So nutzt Peking den Krieg für eigene Propaganda und betont immer wieder eine Mitverantwortung und Mitschuld der USA an dem Krieg. Der geopolitische Spagat, den China hier versucht, verstärkt aber leider eine Spirale des gegenseitigen Beschuldigens, die wir momentan auf globaler Ebene erleben.
Ist China an einer Eskalation des Krieges in der Ukraine interessiert? Immerhin hat der Krieg dem chinesischen Einfluss in Russland und global gesehen genutzt. Wie bewerten Sie die Lage?
China unterhält sowohl mit Russland als auch der Ukraine weiterhin normale wirtschaftliche Beziehungen. Auch in der Ukraine hat China selbst große Investitionen getätigt und hat durch den Krieg Schäden bei Schiffsbauprojekten, Eisen- und Stahl-Schmieden, Autobahnen und anderer Infrastruktur zu verkraften. Auch für Chinas Nahrungsmittelsicherheit ist die Ukraine relevant, vor allem durch Getreidelieferungen. Durch die Ukraine verlief auch ein wichtiger Transitweg für die neue Seidenstraße, der nun zerstört ist. Insgesamt wurden durch den Krieg chinesische Investitionsprojekte in Milliardenhöhe zerstört. Dieser finanzielle Schaden in der Ukraine ist auch ein Anreiz für China, Frieden und ein Ende des Krieges zu fördern. Auch gibt es innenpolitisch in China gerade viele Probleme – in vielen Provinzen verlangsamt sich das wirtschaftliche Wachstum und schreitet der Technologiefortschritt nicht so schnell voran wie gehofft, auch aus diesem Grund ist eine Eskalation des Krieges eigentlich nicht im Interesse Chinas.
China scheint sich wirtschaftlich immer mehr in Russland zu engagieren und zu einer echten Weltmacht zu entwickeln. Wie bewerten Sie die Entwicklung?
Der verstärkte wirtschaftliche Handel zwischen China und Russland ist vor allem erst mal auch eine Folge der internationalen Sanktionen gegen Russland. China handelt opportun und kauft in Russland billig Energie und verkauft in Russland chinesische Artikel, die im Zuge der Sanktionen westliche Artikel ersetzen (z.B. Autos, elektronische Geräte). China baut sich mit Russland einen starken Partner auf und versucht, sich weltweit als alternativen Partner zu den USA zu positionieren und als Vermittler zu präsentieren. Allerdings muss bei China auch beachtet werden, dass sich die chinesische Wirtschaft weiterhin in einer Krise befindet und die chinesische Gesellschaft schon jetzt anfängt, schnell zu altern. Das Wachstum in China ist alles andere als stabil ist.
Wie bewerten Sie die chinesischen Friedensverhandlungen zwischen Iran und Saudi-Arabien?
Bisher war die chinesische Außenpolitik vor allem rhetorische Natur. Mit dem Abkommen zwischen Iran und Saudi-Arabien ist es China nun gelungen, sich als erfolgreicher Friedensvermittler zu inszenieren. Die Bemühungen Chinas müssen auch hier im Kontext zum andauernden Konflikt zwischen China und den USA verstanden werden. China möchte sich der Welt – und ganz besonders den Ländern im Globalen Süden – als wirtschaftliche und politische Alternative zu den USA präsentieren und seinen eigenen weltweiten Einfluss stärken. China ist aggressiver geworden in seiner Außenpolitik und versucht, Partner für seinen diplomatischen Kurs zu finden und sich selber als wichtiger Akteur zu positionieren.
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