Gerhard Schröder wird 70: SPD versöhnt sich mit ihrem letzten Kanzler
Er tat es auf seine Weise. Kaum etwas beschreibt den Lebensweg von Gerhard Schröder besser als dieses „I did it my way“ von Frank Sinatra. Das Stabsmusikkorps der Bundeswehr spielte es im November 2005 beim großen Zapfenstreich zum Abschied des Kanzlers, und da hatte der harte Hund plötzlich Tränen in den Augen. Am Montag wird Gerhard Schröder 70, seit acht Jahren ist er nicht mehr Kanzler, und noch immer haben weder seine Partei noch das Land so richtig Frieden mit ihm gemacht. So, wie er als Sozialdemokrat und als Kanzler polarisiert hat, so ist die Sicht auf ihn noch immer kontrovers.
Und doch: Am Sonntagabend hat so etwas wie die Versöhnung der Sozialdemokarten mit ihrem letzten Kanzler stattgefunden. Der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel hatte zu einem Geburtstagsempfang geladen, in Sarah Wieners Restaurant im Hamburger Bahnhof, dem Berliner Museum für Gegenwart – nicht für Vergangenes, wie Gabriel in seiner Rede auf Gerhard Schröder beziehungsreich betont. Es ist ein Fest der großen Riege der FoGs, der Friends of Gerd, seiner eingeschworenen Wegbegleiter, von Franz Müntefering über Frank-Walter Steinmeier bis zu Joschka Fischer. Aber es sind eben auch die anderen da, Parteilinke wie Klaus Wowereit und Gewerkschaftsführer wie Berthold Huber von der IG Metall, jene, die den Agenda-2010-Kurs Schröders mehr als kritisch begleitet haben.
Sie alle stehen in der großen Runde, als Gabriel Schröder als einen der ungewöhnlichsten sozialdemokratischen Politiker würdigt, einen, der immer aufs Ganze gegangen und Wagnisse eingegangen sei, für sich, für die Partei, zum Nutzen des Landes. Einer, der, wie Gabriel formuliert, die Verkörperung der sozialdemokratischen Erzählung vom Aufstieg ist. „Ich war unten, und das hat man mich spüren lassen“, zitiert er Gerhard Schröder, der sich aus ärmlichsten Verhältnissen an die Spitze der Bundesrepublik hoch gekämpft hat.
Der Geehrte lauscht fast demütig den Worten des Parteivorsitzenden und muss erst lachen, als der verspricht, an diesem Abend auch noch die letzten Kritiker der Agenda 2010 zu überzeugen. Inzwischen können die Sozialdemokraten mit diesem bitteren Kapitel ihrer Geschichte fast kokett umgehen.
Gerhard Schröder tritt dann sehr entspannt und doch auch gerührt ans Mikrofon. „Die Partei ist mein Zuhause und wird es immer bleiben“, sagt er und macht damit deutlich, welche Bedeutung dieser Abend für ihn hat. Das gelte gerade dann, wenn er nicht immer einer Meinung mit ihr sei. Das könne passieren, denn: „Der Mainstream war noch nie mein bevorzugtes Gewässer.“ Er empfinde tiefe Dankbarkeit für seine Partei, ohne die er nichts von dem hätte erreichen können, was er geworden sei. Und so sind sie also alle dankbar an diesem Abend, der der Pflege des Selbstverständnisses der SPD, ihres Selbstvertrauens und des Bildes ihres letzten Kanzlers dient.
I do it my way
Denn trotz aller anerkannter Verdienste ist dieses Bild doch irgendwie verschattet. Der wesentliche Grund dafür liegt in seiner Entscheidung, schon kurz nach seiner Abwahl in die Dienste des russisch-deutschen Gaspipeline-Unternehmens Nord Stream zu treten. Schröder muss seither mit dem abschätzigen Titel Gazprom-Kanzler leben, was ihn sehr ärgert. Dieser Job hindert ihn daran, die Rolle eines würdigen Elder Statesman anzunehmen, die freilich auch noch mit dem 25 Jahre älteren Helmut Schmidt besetzt ist.
In einem Interview zu seinem 65. Geburtstag hat Schröder einmal einen ungewohnt tiefen Einblick in seine Seelenlage nach der Wahlniederlage 2005 gegeben, als er sich für den Wechsel in die Wirtschaft entschied: „Es ging für mich auch darum, eine Enttäuschung zu überwinden, darüber sollte ein Politiker auch ruhig mal reden. Es gibt diese Enttäuschung eben, wenn ein Politiker unfreiwillig aufhören muss durch das Votum der Wähler. Das ist schon eine ziemlich existenzielle Situation. Da brauchen Sie Freunde, da brauchen Sie erst recht Menschen, die Sie lieben, aber Sie brauchen auch was zu tun. Und das sollte möglichst was Sinnvolles sein. Insofern hätte mir der Hinweis Mach erst mal zwei Jahre nix nichts gebracht. Die ersten beiden Jahre sind ja gerade die schwierigen.“ Er habe nie etwas Unrechtes getan, sagt Schröder noch. Und: „Jenseits dessen ist es mein Leben und meine Freiheit. Und wer meint, er müsse das kritisieren, der kann mich mal.“ Er hätte auch sagen können: I do it my way.
Manche sagen, dass Schröder auch jetzt schwierige Zeiten durchlebe. Es sind Porträts über ihn erschienen, in denen er wie ein trauriger, einsamer alter Wolf erschien. Davon ist an diesem Abend nichts zu spüren. Gerhard Schröder genießt die Zuneigung seiner Partei, wie er sie nicht oft erlebt hat.