Gesetz über Speichern von Telekommunikationsdaten: Bundestag beschließt umstrittene Vorratsdatenspeicherung
Berlin - Der Bundestag hat am Freitag die umstrittene Neuregelung des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen. 404 Abgeordnete stimmten für das neue Gesetz, es gab 148 Gegenstimmen, der Großteil davon kam aus der Linksfraktion und den Grünen. Sieben Abgeordnete enthielten sich.
Anschluss, Zeit und Dauer
Das Gesetz „zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“, von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht vor, dass Telekommunikationsunternehmen die Telefon- und Internetverbindungsdaten aller Bürger zehn Wochen lang speichern dürfen. Betroffen davon sind Rufnummern inklusive Anschluss, Zeit und Dauer des Telefonats und die IP-Adressen der Computer. Standortdaten von Handy-Telefonaten sollen vier Wochen gespeichert werden. E-Mails sind nicht betroffen. Der Abruf der Daten muss von einem Richter genehmigt werden und darf nur der Verfolgung schwerer Straftaten dienen. Maas hatte die Vorratsdatenspeicherung früher stets abgelehnt, bis ihn SPD-Chef Sigmar Gabriel zu einem Richtungswechsel mit der Union drängte.
Seit Jahren wird das Thema in Deutschland diskutiert. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung 2014 gekippt und für ungültig erklärt. Es verwies auf die „Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten“ und schlug sich mit dieser Einschätzung auf die Seite des Bundesverfassungsgerichtes, das die Vorratsdatenspeicherung schon im 2010 für verfassungswidrig erklärt hatte, da sie nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei.
Kampf gegen Terrorismus
Das neue Gesetz soll dem Kampf gegen Terrorismus und schwerer Kriminalität dienen. „Jeder Kriminalist weiß, dass die Speicherung der Telekommunikationsdaten kein Allheilmittel ist. Wir brauchen die Daten aber als Baustein in der Kriminalitätsbekämpfung und zur Abwehr schwerster Straftaten dringend“, sagte der Bundesvorsitzende des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK).
Gegner sehen durch das Gesetz die Grundrechte der Bürger gefährdet. "Die Vorratsdatenspeicherung ist eine Schande für den Rechtsstaat. Eine massenhafte Überwachung ohne Anlass ist mit unserem Grundrechtsverständnis nicht in Einklang zu bringen“, sagte die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie gilt seit Jahren als eine der entschiedensten Gegnerinnen der Vorratsdatenspeicherung.
Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast sagte am Freitagvormittag im Bundestag über das neue Gesetz: „Sie machen alle in dieser Bundesrepublik zu Verdächtigen. Alle. Nicht nur die Netzgemeinde, sondern jeder der kommuniziert.“ Niemand habe bisher die Frage der Datensicherung beantwortet. „Ihre Vorlage verstößt gegen europäisches Recht.“
„Groko pfeift auf Grundrechte"
Auch Linkspartei-Chef Bernd Riexinger äußerte sich über Twitter: „Groko pfeift auf Grundrechte und verdächtigt grundlos.“ Konstantin von Notz, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion sagte, das Gesetz sei „Gift für unsere Demokratie“.
Der Verein Digitalcourage, der sich für Datenschutz und Bürgerrechte einsetzt, bereitet indes eine Verfassungsbeschwerde vor. „Weil weder auf öffentlichen Protest noch politische Diskussion und sachliche Argumente gehört wurde, werden wir jetzt den juristischen Weg beschreiten“, sagt Rena Tangens von Digitalcourage.
Gegner des Gesetzes kritisieren außerdem, dass die Regelung auch in die Pressefreiheit eingreife. Denn auch Whistleblower und Journalisten sind davon betroffen, da das Gesetz auch einen Paragraphen zum Straftatbestand der Datenhehlerei enthält. Er soll den Handel mit gestohlenen Informationen verbieten. Darin heißt es: „Wer Daten, die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Das Gesetz wird inzwischen schon als „Anti-Whistleblower-Gesetz“ bezeichnet.
Blogger nicht geschützt
Zwar wären berufsmäßige Journalisten weitestgehend geschützt, nicht so aber Blogger, freie Autoren oder Anwälte, die bei einer Veröffentlichung zu Rate gezogen werden. Und eben auch Whistleblower, die oft aus internen Quellen berichten und sich auf Grundlage des neuen Gesetzes damit strafbar machen. Der Paragraph gefährdet dadurch auch die Arbeit von investigativen Journalisten.