Gesundheit: So wollen die Ärzte das Terminchaos beenden

Berlin - Was, wenn die Schulter zwickt, das Knie schmerzt oder die Kopfschmerzen nicht weggehen? Ist kein schneller Arzttermin in Sicht, suchen viele Rat im Internet. Millionen Versicherte entscheiden sich für einen Besuch in der Notfallambulanz des nächsten Krankenhauses. Das wollen die Kassenärzte nun ändern: Die Patientennachfrage soll besser gesteuert werden. Fragen und Antworten zu den Hintergründen.

Was planen die niedergelassenen Ärzte?

Die Kassenärztlichen Vereinigungen setzen auf eine neue Hotline, die ab Anfang 2020 unter der bundesweit gültigen Rufnummer 116 117 rund um die Uhr erreichbar sein soll. Bisher ist unter der Nummer der ärztliche Bereitschaftsdienst erreichbar – außerhalb der Praxiszeiten. Ab Ende August soll das Angebot mit TV-Spots Ab Ende August wird das Angebot mit TV-Spots („Die Nummer mit den Elfen“) beworben. Im Laufe des kommenden Jahres soll zusätzlich ein App-Angebot eingeführt werden. Ferner setzen die Kassenärzte auf eine Reform der Notfallversorgung in Deutschland.

Was sollen Hotline und App leisten?

Geplant ist zunächst die Vermittlung von Arztterminen – je nach Dringlichkeit innerhalb einer Zeitspanne von einem Tag bis zu vier Wochen. Dazu werden die Callcenter verzahnt mit den bereits bestehenden Terminservicestellen.

Werden alle Arten von Arztterminen vermittelt?

Ja. Es geht um die Vergabe von Terminen bei Hausärzten, Fachärzten und Psychotherapeuten. Die Hotline dient auch als Orientierungshilfe für Zugezogene, die an ihrem neuen Wohnort noch keinen festen Arzt haben.

Gibt es telefonisch auch ärztlichen Rat?

Ärztlichen Rat nicht, wohl aber eine fundierte Einschätzung von geschulten Fachkräften. Am Ende eines Gesprächs soll nach drei bis sechs Minuten über Zeit und Ort einer möglichen Behandlung entschieden werden. Dabei geht es darum, ob der Patient sofort Hilfe benötigt oder ob eine Versorgung innerhalb der nächsten Stunden oder Tage ausreicht. Am Ende steht die Vermittlung an Hausarzt, Facharzt, Bereitschaftsdienst, Krankenhaus-Notaufnahme oder Rettungsdienst.

Kann man sich auf die Einschätzung via Telefon oder App verlassen?

Der Empfehlung liegt ein standardisierter Fragenkatalog zugrunde. Bei anderen Angeboten, die medizinischen Rat im Internet versprechen, gibt es „Disclaimer“, die eine Haftung weitgehend ausschließen. Bei der 116 117 soll es anders ein, heißt es bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Wird eine offensichtlich falsche Empfehlung gegeben, wird dafür die Haftung übernommen.

Warum kommt die Offensive mit 24/7-Hotline und App-Angebot gerade jetzt?

Neue Anreize und Vorschriften zur schnelleren Vermittlung von Terminen sind Teil des neuen „Terminservice- und Versorgungsgesetz“ (TSVG), das im Mai in Kraft getreten ist. Für die Versorgung gesetzlich Versicherter innerhalb bestimmter Fristen sieht das Gesetz unter anderem Zuschläge für Mediziner vor. Mit der Hotline, so die Kassenärztliche Bundesvereinigung, sollen zudem die Notaufnahmen der Krankenhäuser entlastet werden, in die aktuell nach Schätzung etwa neun von zehn Patienten mit Bagatellbeschwerden kommen.

War nicht ohnehin eine Reform der Notaufnahmen geplant?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat dazu vor der Sommerpause einen Arbeitsentwurf vorgelegt. Ziel: Patienten sollen besser durch das Notfallsystem gesteuert werden. Ziel sind gemeinsame Leitstellen von kassenärztlichem Bereitschaftsdienst und Rettungsdienst, die nach einheitlichen Standards die Dringlichkeit der Versorgung einschätzen. Zudem sollen an bestimmten – größeren – Krankenhäusern so genannte „Integrierte Notfallzentren“ (INZ) für Patienten eingerichtet werden, die direkt dorthin kommen. Allerdings, und das sorgt gerade für heftigen Streit zwischen Kliniken und den niedergelassenen Ärzten: Den Auftrag zur Sicherstellung der Versorgung in den INZ sollen die Länder erhalten. Die Kassenärztliche Vereinigung hat jedoch nun deutlich gemacht, dass sie an gemeinsamer Verantwortung mit den Krankenhäusern nicht interessiert ist.