Gipfel in Elmau: Die G7 sind nur noch ein exklusiver Club unter vielen

Berlin - Verbarrikadierte Geschäfte, ein Zaun als Bollwerk, eine Behördenposse um eine angeblich lebensgefährliche Wiese, Polizisten auf Berghütten. Und dann noch ein Ministerpräsident, der freigiebig schwere Bücher über das schöne Bayern mit Bildern von Bergseen und Zitaten von Franz Beckenbauer an alle Besucher verteilt, die sich nicht dagegen wehren können. Eine Portion Irrsinn ist immer dabei, wenn die Staats- und Regierungschefs der G 7, der großen Industriestaaten und Demokratien, wie jetzt in Elmau zusammenkommen. Erstaunlich ist, dass die vorwiegend linken Demonstranten sich mit ihrer Wut auf die Veranstaltung  an diesem Größenwahn beteiligen und ihn nach Kräften am Leben erhalten.

Fest in der Tradition verhaftet halten sie an der G 7 als Lieblingsgegner fest und bekämpfen sie, als sei diese Gruppe für alles Elend der Menschheit verantwortlich. Mit der Realität des 21. Jahrhunderts hat das wenig zu tun. Nüchtern betrachtet gibt ein G7-Gipfel heute wenig Anlass für Aufregung. Tatsächlich schafft er ein nützliches Gesprächsforum, in dem sich sieben demokratisch gewählte Politiker miteinander unterhalten. Auf gewisse Weise dient er auch dem Westen (plus Japan) als Interessensverband, mit dem die reichen, demokratischen Länder dieser Erde ihre Positionen abstecken, um möglichst gemeinsam auf der Weltbühne Anliegen durchsetzen zu können.

Wenn in  Elmau und Garmisch die Müllarbeiter mit den Aufräumarbeiten  nicht zu Ende sind, beginnt dreitausend Kilometer weiter östlich das nächste Schaulaufen. In der russischen Stadt Ufa kommen die Brics-Staaten zusammen, also Brasilien, Russland, Indien, China sowie Südafrika. Viel verbindet sie nicht. Moskau braucht hohe Ölpreise, die Peking fürchtet, weil die Wirtschaft des Landes auf billige Energie angewiesen ist. Als Klammer dient allein der Wille, dem Westen entgegenzutreten und gemeinsam Ansprüche besser geltend machen zu können. Stört sich irgendjemand daran, dass sich mit den Brics diese aufstrebenden Volkswirtschaften zusammenschließen?

Stärkerer G7-Einfluss wünschenswert

Fast ständig treffen sich irgendwo auf der Erde irgendwelche Gruppierungen, von den G 7 bis zu den G 20, von asiatischen Kreisen über europäisch-afrikanische Zirkel bis hin zur Uno, dem IWF, der WTO  und der Weltbank mit globalem Anspruch. Keine Organisation davon ist perfekt, ganz bestimmt auch die Uno nicht, die  mit dem Sicherheitsrat die Nachkriegsordnung von 1945 widerspiegelt. In der G 20 reden zwar die Schwellenländer aus Asien, Afrika und Amerika mit. Damit steht sie für 90 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und zwei Drittel der Bevölkerung, schließt aber zugleich weiter Milliarden Menschen aus. Und wer sich über die Politik der G 7 aufregt, sollte auf die G 20 schauen.

China ist noch bei keinem Gipfel mit einer Initiative  zur Wahrung von Menschenrechten aufgefallen. Bisher sprach sich kein Vertreter Saudi-Arabiens dafür aus, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu fördern. Und wer darauf wartet, dass Russland sich für Pressefreiheit oder den Klimaschutz stark macht, wird Geduld aufbringen müssen. Gemessen daran schneidet die G 7 nicht schlecht ab. Im Gegenteil spricht vieles dafür, sich einen stärkeren Einfluss dieser demokratischen Länder auf die Weltpolitik zu wünschen.

Unwiderruflich vorbei aber sind die Zeiten, in der diese Gruppe die Geschicke rund um den Erdball diktierte.  Bis in die 90er Jahre hinein nutzte der US-Präsident die G7, um gemeinsam mit den kleinen Brüdern und Schwestern aus Europa, Kanada und Japan die Regeln der Weltwirtschaft zu diktieren. Afrika, Asien und zum großen Teil auch Lateinamerika spielten keine Rolle und interessierten wenn überhaupt als Rohstofflieferanten. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel heute ihre Kollegen aus der Siebener-Gruppe einlädt, befassen sie sich mit Plastikmüll, Antibiotika und Versicherungen für Kleinbauern. Alles wichtige Anliegen. Aber  solche Tagesordnungen hätten sich ihre Vorgänger nicht zugemutet.  Die G7 sucht nach einer Agenda, gerade weil sie an Bedeutung eingebüßt und bei den ganz großen Themen Konkurrenz bekommen hat.

Aufpassen bei der Kritik

Wir müssen uns daran gewöhnen, dass mit der Globalisierung und dem ökonomischen Aufstieg der Schwellenländer in historisch einmaliger Geschwindigkeit die Welt bunter geworden ist. Und so gibt sie sich auch eine bunte Clublandschaft, in der die G 7 als eine von vielen Vereinigungen ihren Platz einnimmt.

Noch ein Wort zu  den Kosten. 360 Millionen Euro müssen die Steuerzahler für die beiden Tage aufbringen. Ist das ein Skandal? Das meiste Geld verschlingt der Sicherheitsaufwand, der nötig ist, um gleichzeitig Proteste zu ermöglichen. Wie es billiger geht, zeigt Russland beim Brics-Gipfel in Ufa ohne Großdemonstrationen.  Wer die Ausgaben hierzulande anprangert, sollte aufpassen, gegen was sich eine solche Kritik richtet.