Gregor Gysi im Interview über sein Leben und die nicht erreichte deutsche Einheit
Berlin - Ein bisschen klingt der Titel nach James Bond. „Ein Leben ist zu wenig“, heißt seine Autobiografie. Ein Satz, der natürlich nach Bilanz klingt. Vielleicht ein bisschen auch nach heiterer Wehmut. Bei einem wie Gregor Gysi darf man sich da allerdings nie so ganz sicher sein. Könnte ja noch was Aufregendes, Neues, Ungeahntes kommen. Ein Sprung in ein weiteres seiner vielen Leben sozusagen.
Als er am Ende des Abends im Berliner Verlag von Redakteurin Sabine Rennefanz und Chefredakteur Elmar Jehn gefragt wird, ob ihn noch mal ein Ministeramt reizen würde, dereinst unter einem demokratisch sozialistischen Bundeskanzler Kevin Kühnert vielleicht, da drückt sich der Rücken durch und der Schalk fühlt sich aufgerufen: „Außenminister, das würde ich gerne machen.“
Und nach einer kurzen Pause: „Stopp, wieso sollte der Kühnert eigentlich mich fragen? Ich frage ihn.“ Damit wäre die Kanzlerfrage also auch geklärt. Das Publikum im voll besetzten Newscafé im Verlagsgebäude quittiert so viel Selbstbewusstsein lachend. Gregor Gysi, der Entertainer, der Polit-Star, der Anwalt, den die Ereignisse des Wendejahres auf die große Bühne gestellt haben. „Der Geist von 1989 – was ist geblieben?“, so lautete das Thema des Abends. Niederlagen, Aufbruch, ideologische Kämpfe, Anfeindungen, Wende-Jubel und Wende-Enttäuschungen – Auszüge aus dem Gespräch mit Gregor Gysi, jenem Mann, der in diesen bewegenden Monaten erst als Anwalt von Bürgerrechtlern und später als SED-Chef die Ambivalenz des Umbruchs verkörperte wie kaum ein zweiter.