Greta Thunberg: Am Ende könnte nur eine überflüssige Promo-Aktion bleiben
Berlin - Jüngste Meldung vom Atlantik, Tag 5, etwa ein Drittel des Weges von England nach New York ist geschafft: „Ein sonniger Tag mit angenehmem Wind“, schreibt Greta Thunberg auf Twitter über ein Foto, auf dem sie so schüchtern lächelt, wie sie inzwischen die ganze Welt kennt: Eine Ikone im Kampf für den Klimaschutz, sagen ihre Anhänger. Ein naives Mädchen, das von öffentlichkeitsgeilen PR-Profis für deren politische oder kommerzielle Zwecke eingespannt wird, sagen ihre Kritiker.
Vor allem in Deutschland überwog bislang die Sympathie mit der 16-Jährigen, die vor nun genau einem Jahr allein vors schwedische Parlament statt ins Klassenzimmer zog und damit eine Massenbewegung auslöste, die zu freitäglichen Klima-Schulstreiks in rund 100 Ländern führte. Zweifellos ein ungeahnter Erfolg – so war jedenfalls die Lesart bisher.
Flugreisen lehnt Greta Thunberg kategorisch ab
Doch ausgerechnet zum Jahrestag der „Fridays For Future“-Bewegung bringt Thunbergs bislang spektakulärste Aktion die Stimmung nun zum Kippen: Auf einer komplett klimaneutralen Hochseejacht reist die Schwedin gerade quer über den Atlantik, um am UN-Klimagipfel in New York, später an der Weltklimakonferenz in Chile teilzunehmen und ihre Mission auf dem amerikanischen Kontinent zu verbreiten. Flugreisen lehnt Thunberg bekanntlich kategorisch ab – und hofft auch hier auf viele Nachahmer.
Symbolik der Reise erscheint fragwürdig
Seitdem sie jedoch ihren medienwirksamen Segeltörn angetreten ist, weht ihr ein gar nicht mehr so angenehmer Wind entgegen – vor allem, weil sich inzwischen herausstellte, dass die Logistik für Gretas große Fahrt mehr Transatlantik-Flüge nötig macht als die vier Hin- und Rückreisen für sich und ihren Vater. Das nehmen ihr nun auch Wohlgesonnene übel: Bleibt so am Ende nicht nur eine überflüssige Promo-Aktion?
Auch die Symbolik der Reise erscheint fragwürdig: Was will Greta zeigen? Als Alternative für Geschäfts- oder Urlaubsreisen kommen Hochseejachten kaum infrage. Hätte sich Thunberg per Video zur Klimakonferenz zuschalten lassen, ließe sich das besser zum Vorbild ausrufen: Viele klimaschädliche Reisen sind dank moderner Technik längst überflüssig. Oder lehrt uns der Segeltörn, dass der Einzelne das Klima auch bei größtem Bemühen nicht retten kann, sondern die Politik den Flugverkehr endlich regulieren muss?
Heiligt der Zweck die Mittel?
Am Ende steckt dahinter die große Frage jeder Symbolik: Heiligt der Zweck die Mittel? Kann Gretas Weltreise so viele Menschen für den Klimaschutz mobilisieren, dass deren Druck die Politik zum Handeln zwingt?
Greta Thunberg könnte ähnliche Bedeutung wie Martin Luther King erlangen
Vermutlich können wir heute noch gar nicht absehen, welche Wirkung die Amerika-Tour von Thunberg bis Ende des Jahres entfaltet. Womöglich löst der Medien-Hype eine weltweite Jugendbewegung aus, die vergleichbar mit den Anti-Vietnam- und Studenten-Protesten der 1960er ist. Nicht auszuschließen, dass Thunberg eines Tages zur Ikone des zivilgesellschaftlichen Protestes wird, das Gesicht einer neuen Klimabewegung, so wie Martin Luther King das Gesicht der Bürgerrechtsbewegung war. Vielleicht brauchen erfolgreiche Proteste solche Helden, deren öffentliches Bild ihre persönlichen Fehler überstrahlt.
Politische Großereignisse blieben Symbole
Käme es so, wäre die Klimabilanz der Greta Thunberg eine zu vernachlässigende Fußnote in den Geschichtsbüchern – auch wenn die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Klimaschützer schon jetzt manchem konservativen Kommentator so viel Furor entlockt, dass er der kritiklosen Begeisterung vieler Greta-Fans in nichts nachsteht.
Doch so weit ist es längst nicht. Bislang besteht die Leistung der „Fridays for Future“ darin, ein Thema auch für die junge Generation auf die Tagesordnung gesetzt zu haben, das ihre Eltern schon seit 1992 kennen: Damals hatte sich die Weltgemeinschaft auf dem ersten Umweltgipfel zu gemeinsamem Handeln verpflichtet, ebenso 1997 in Kyoto, zuletzt 2015 in Paris.
Auch diese medialen und politischen Großereignisse blieben Symbole – der CO2-Ausstoß wuchs seit 1992 ungebrochen an. Leider lässt sich daraus lernen, dass auf Symbolik zwar oft ein Erwachen, hitzige Debatten und große Versprechen folgen – dass aber auch die größte Protestbewegung ihr Ziel aus den Augen verlieren kann, wenn die Umsetzung im Ringen ums Kleingedruckte und um praxistaugliche Kompromisse stattfindet.