Halle-Stephan B., der Attentäter von Halle, wollte offenbar so viele Juden wie möglich ermorden. Der 27-Jährige wollte Teilen der Internetgemeinde eine barbarische Show liefern und übertrug seine Anschläge live im Internet.


Dafür hatte er sich offenbar extra einen Namen aus der Gamer-Szene zugelegt – „Anon“. Er will sich international einen Namen machen und begrüßt sein Publikum selbstbewusst auf englisch. Behauptet, dass der Holocaust nie stattgefunden habe. Dass die Wurzel allen Übels die Juden seien. Später redet er meist nur noch auf Deutsch.
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Er holt aus dem Fußraum seines VW ein Gewehr. „Mein Gott, wie lange warte ich schon darauf.“ Er fährt los und kommt zu dem Grundstück, auf dem sich Synagoge und Jüdischer Friedhof befinden.
„Bitte lasst die Tür offen stehen“, fleht er. Damit meint er wohl die Tür zur Synagoge. „Fuck!“, sagt er, als er sieht, dass das Tor zu ist. „Spreng ich mich halt rein.“ Er versucht es an einer kleineren Tür und schreit wieder „Fuck!“ Zurück am Tor sagt er: „Das sprengen wir.“
Der erste Mord
Im Auto hat er einen Plastikeimer mit neun selbstgebauten Handgranaten. Auch auf dem Beifahrersitz steht eine Sporttasche mit Sprengsätzen und Patronengurten. Er steckt einen Sprengsatz unter das Tor – es knallt. Eine Frau läuft vorbei, erkennt nicht, was hier wirklich vor sich geht und schimpft: „Muss das sein, wenn ich hier lang gehe? Mann, ey...“ Daraufhin schießt er ihr vier Mal in den Rücken.
Der Sprengsatz ist zu schwach, das Tor ist immer noch zu. „Verkackt“, sagt er. „Scheiß drauf. Komm ich nicht rein.“ Dann schießt er noch mehrmals auf die Frau, die neben seinem Auto liegt. Hinten lugt ein Mann um die Ecke, ein Auto fährt vorbei.
Er läuft ums Auto und schimpft: „Ich habe einen Reifen zerschossen, fuck – na ja.“ Stephan B. redet in einer reduzierten Sprache. Führt Selbstgespräche, kommentiert jedes Ereignis. Immer wieder ist zu hören, wie ihm Gegenstände herunterfallen. Er geht in einen der Synagoge benachbarten Hausflur. „Komm’ ich nicht rein. Ha. Zünden wir se an.“ Er geht wieder auf die Straße. „Hundertprozent fail“, sagt er.

Da steht auch schon ein Mann neben der toten Frau. Er hat seinen Lieferwagen auf der Straße gestoppt. Der Attentäter hantiert an seiner Waffe, muss offenbar nachladen. „Mensch!“, flucht er. Der Mann nutzt die Gelegenheit, um einzusteigen. Eine Patrone fällt herunter.
Er geht zur Tür, zielt mit der Schrotflinte. Eine Schrotpatrone fällt herunter und kullert über den Boden. „Was soll das denn“, murmelt er genervt. Er schießt auf die Eingangstür zur Synagoge. Lädt nach, schießt erneut. Wieder fällt eine volle Patrone herab. Er tritt mehrmals gegen die Tür, die zu bleibt. „Scheiße Mann!“ Ein Auto fährt langsam vorbei.
"Einmal Verlierer, immer Verlierer"
Das alles überträgt er live ins Internet: die ruckelnden Bilder, die Flüche, sein chaotisches Verhalten, den ersten Mord. „Verkackt. Na ja. Was willste erwarten von den Jüd.“, spricht er entnervt. „Fahr’ wer ran und fünf Kanacken.“ Er steigt ins Auto. Sechs Minuten sind vor der Synagoge vergangen. Eine Polizeisirene ist nicht zu hören.
„Scheiß drauf“, sagt er und startet den Wagen. Aus dem Radio kommt Musik. Nach ein paar Metern steigt er aus und läuft ums Auto. „Eigenen Platten geschossen. Unfähiger Versager, Mann!“ Er meint sich und hofft wohl auf Absolution bei seinen Fans. Er beherrscht auch den Mietwagen nicht. Trotz Sonnenscheins gehen die Scheibenwischer des Autos. Er findet den Ausschalter nicht. „Sorry Guys“, sagt er seinem Live-Publikum. „Einmal Verlierer, immer Verlierer.“
Einmündung zur Ludwig-Wucherer-Straße. „Döner. Nehm’ wer.“ Er nestelt an seiner Ausrüstung. „Handgranate. Ist die noch drin oder hab’ ich die verloren. Nee, hab’ ich verloren. Scheiß drauf.“ Er geht über die breite Ludwig-Wucherer-Straße. Mit Flinte, Helm und Kamera. Die Autos bremsen ab. Er wirft eine seiner Granaten in den Laden. Es knallt wie ein Böller. Er rennt in den Laden und schießt. Menschen laufen verängstigt nach hinten. Er muss nachladen. Nun schießt er auf einen Mann, der sich in einer Nische hinter einem Getränkeautomaten versteckt hält.

Hülsen und volle Patronen fallen wieder nach unten. Er schlägt gegen die Waffe, die offenbar Ladehemmung hat. Seine Schrotflinte, die er außerdem dabei hat, liegt auf dem Boden. „Scheiße“, murmelt er, während er an seiner Halbautomatik herumfummelt.
Wieder auf der Straße. Eine Polizeisirene ist nicht zu hören. Er schießt auf einen Mann, der sich neugierig nach ihm umgedreht hat, trifft aber nicht. Der Mann rennt davon.
Als er wieder im Auto sitzt, sagt er: „Tja. Sorry Guys. The fucking Luty is shit!“ (Luty-Maschinenpistolen basteln sich Waffennarren aus Baumarktteilen zusammen). Er lenkt seinen Wagen wieder auf die Ludwig-Wucherer-Straße vor den Dönerladen. Steigt aus und schießt auf zwei wegrennende Bauarbeiter. Auf jeden, der ihm vor den Lauf kommt.
"I'm a complete loser"
Wieder geht er in den Dönerladen und schießt noch einmal auf den reglosen Mann hinter dem Getränkeautomaten. „Der lebt doch immer noch!“, schimpft er und schießt noch einmal. Und noch einmal. Ziellos läuft er draußen umher, ehe er in den Wagen steigt und stellt fest: „Tja, ich habe auf jeden Fall bewiesen, wie wertlos improvisierte Waffen sind.“
Vorn stellt sich ein Polizeiauto quer. „Die Polizei. Gut, jetzt sterb' ich.“ Er steigt aus, stellt sich hinter seinen VW und schießt mit der Schrotflinte mehrmals in Richtung des Streifenwagens. Die Polizisten schießen zurück, er bekommt einen Streifschuss am Hals ab.

Er steigt ein und fährt davon. Die Scheibenwischer wischen. „Alle Waffen haben versagt, Mann!“ Im Hintergrund – bei Minute 27 der Aufnahme – läuft im Autoradio ausgerechnet ein Bericht über illegalen Waffenhandel.
Während seiner Weiterfahrt sagt er: „So Guys, das war’s mit der Action. „I’m a complete loser.“ Dann wirft er sein Smartphone samt Kamera weg. Standbild in den Himmel.