Die SPD erlebte seit langer Zeit wieder einen Wahlabend, an dem es auch für sie etwas zu feiern gab. So muss sie zwar Stimmenverluste hinnehmen, bleibt aber stärkste Kraft in der Bürgerschaft. Damit bleibt Peter Tschentscher auch weiterhin Erster Bürgermeister. Er wird vermutlich mit seiner bisherigen Stellvertreterin und Herausforderin Katharina Fegebank von den Grünen weiterarbeiten. Tschentscher erklärte am Abend, dass seine Partei, wie vor der Wahl angekündigt, auch mit der CDU Gespräche führen wolle.
Für die CDU das schlechteste Wahlergebnis seit 70 Jahren
Die hält sich aber selbst nicht für den künftigen Regierungspartner der SPD, wie Spitzenkandidat Marcus Weinberg am Abend durchblicken ließ. Die Christdemokraten schnitten laut ersten Prognosen so schlecht ab wie noch nie in Hamburg und kommen nun nur noch auf 11,2 Prozent der Wählerstimmen. Bundesweit ist es das schlechteste Wahlergebnis seit fast 70 Jahren. Damit ist die Union in der Hansestadt nicht mehr viel stärker als die Linke, auf die laut Hochrechnungen 9,1 Prozent entfielen.
Weinberg räumte ein, dass es in Hamburg keine politische Wechselstimmung gegeben habe. Der „Orkan aus Thüringen“ habe der CDU in Hamburg zusätzlich geschadet. Nach der Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD und der CDU sei seine Partei in schwere politische Turbulenzen geraten. „Diese Auswirkungen haben uns Ansehen und am Ende auch viele Stimmen gekostet.“
So sieht man es auch bei der FDP. Die Liberalen erlebten einen langen Abend des Hoffens und Bangens bevor: Sie lagen bei 5 Prozent und mussten deshalb am Abend zittern, ob es mit einem Wiedereinzug in die Bürgerschaft klappt.
Das Verhalten der Parteifreunde in Thüringen habe die Wahlkämpfer in Hamburg in eine „ganz schwierige Lage“ gebracht, sagte Parteichef Christian Lindner am Sonntagabend im ZDF. „Die Wähler sind zu Recht irritiert.“ Persönlich wollte Lindner sich keine Fehler im Zusammenhang mit der Thüringen-Krise vorwerfen, vielmehr bescheinigte er sich ein gutes Krisenmanagement. „Ich habe nicht laviert“, sagte er. „In Erfurt gab es einen Fehler.“ Als Bundesvorsitzender könne er keine Anweisungen an den Landesverband geben – er könne „nur Verantwortung übernehmen für den Umgang mit so einer Situation“.
Grüne selbstbewusst - AfD angeschlagen
Ähnlich unsicher verlief der Abend für die AfD. Sie stand nach den ersten Hochrechnungen bei nur 4,9 Prozent. Am Abend kamen die Rechtspopulisten auf 5,3 Prozent.
Im Vorfeld der Bürgerschaftswahl hatten viele Prominente dazu aufgerufen, nicht die AfD zu wählen. In diesem Zusammenhang wurde in den letzten Tagen auch auf den Anschlag von Hanau hingewiesen. Die Tat wurde von Ermittlern und Politikern als rassistisch motiviert eingestuft. Einige Politiker hatten die AfD für die rassistischen und rechtsextremen Mordanschläge der letzten Monate politisch verantwortlich gemacht.
Die Spitzenkandidatin der Grünen und bisherige Wissenschaftssenatorin, Katharina Fegebank, kündigte an, sehr selbstbewusst in Koalitionsverhandlungen zu gehen – und vor allem mit Themen wie Klimaschutz, Verkehrswende und dem Voranbringen einer offenen Gesellschaft. Sie sieht in dem Grünen-Ergebnis bei der Bürgerschaftswahl den klaren Auftrag, die rot-grüne Koalition fortzuführen. Sie leite den Auftrag ab, dass es so weitergehen soll, sagte Fegebank am Sonntag in der ARD – „mit deutlich stärkeren Grünen“.
Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt - hohe Wahlbeteiligung
Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen haben SPD und Grüne in Hamburg vor allem mit lokalen Themen gepunktet. Zu ihren Pluspunkten zählten ihre überzeugende Regierungsarbeit, Sachkompetenz sowie ihr Ansehen in der Bevölkerung, hieß es in der am Sonntagabend veröffentlichen Analyse des Wahlausgangs.
Die Wahlbeteiligung in Hamburg lag über der vor fünf Jahren. Das kann aber auch daran liegen, dass die Hamburger erstmals fünf statt vier Jahre warten mussten, bevor sie zur Wahlurne gehen durften. Außerdem wurde das Wahlalter auf 16 Jahre abgesenkt.
Die Wahl der Bürgerschaft in Hamburg ist nach derzeitigem Stand die einzige Landtagswahl in diesem Jahr. Wegen des komplizierten Wahlverfahrens, in dem die Bürger insgesamt zehn Stimmen verteilen, wurde mit dem endgültigen Wahlergebnis erst am Montag gerechnet. (mit dpa)