Handelsstreit: Über diese Kernpunkte haben Trump und Juncker diskutiert

Kaum einer hätte es gedacht. Doch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erreicht bei seinem Besuch in Washington Vereinbarungen, die den Handelsstreit mit den USA beenden und zu einem gemeinsamen Vorgehen im globalen Handel führen sollen. Allerdings sind viele Absprachen äußerst vage. Wir erläutern, was die Gespräche US-Präsident Trump gebracht haben.

WTO: USA und EU wollten an einer Reform der Welthandelsorganisation (WTO) arbeiten und eine „Angleichung von Standards“ erreichen, so Junker. Was genau damit gemeint sein soll, ist noch nicht klar.  Es könnte darauf hinauslaufen, Zölle abzuschaffen Handelsbeschränkungen zu beseitigen und Subventionen zumindest zurückzufahren. Die derzeitigen US-Sonderabgaben auf Stahl und Aluminium sowie die EU-Vergeltungszölle auf Whiskey, Jeans und Motorräder aus den USA sollen auf den Prüfstand gestellt werden. Er wird bereits spekuliert, dass all dies darauf hinauslaufen könnte, das über Jahre verhandelte, transatlantische  Freihandelsabkommen TTIP wieder aus den Schubladen zu holen.

Trump hatte es nach seinem Amtsantritt schnell auf Eis gelegt, da er negative Auswirkungen für die US-Wirtschaft befürchtet. Doch die französische Regierung hat daran kein Interesse: „Wir wollen nicht in die Verhandlung einer großen Vereinbarung einsteigen, deren Grenzen wir bei TTIP gesehen haben“, erklärte Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire. Mit TTIP sind Befürchtungen verbunden, dass der europäische Markt für US-Lebensmittel geöffnet wird, die insbesondere EU-Standards beim Schutz von Verbrauchern nicht entsprechen.  Auch der massive Einspruch Frankreichs zeigt nach Einschätzung von Beobachtern, dass Verhandlungen im großen Stil über Handelspolitik extrem schwer werden könnten – insbesondere mit einem US-Präsidenten, der schnell seine Meinung ändert, wenn es ihm opportun erscheint.  

Autobranche.  Während der geplanten Verhandlungen sollen keine weiteren neuen Zölle verhängt werden. Das dürfte für die deutsche Wirtschaft das wichtigste Resultat der Einigung sein. Trump droht seit Wochen, eine zusätzliche Abgabe von 25 Prozent auf Einfuhren von Fahrzeugen und Komponenten zu erheben. Massive Verwerfungen dies- und jenseits des Atlantiks waren befürchtet worden, da die Automobilindustrie mit globalen Netzwerken von Produktionsstätten funktioniert. Die Finanznachrichtenagentur Bloomberg hat zudem hochgerechnet, dass importierte Pkw aus der EU im Schnitt 10.000 Euro (11.700 Dollar) hätten teurer werden müssen.

Autobauer hätten vor der Wahl gestanden, entweder den reinen Fahrzeugpreis massiv zu senken, was die Gewinne deutlich reduziert hätte. Oder sie hätten Einbrüche beim Absatz hinnehmen müssen. Das ist jetzt vom Tisch. An den Aktienmärkten legten deshalb die Papiere der Autobauer deutlich zu. Mit zeitweise mehr als vier Prozent ging es bei Fiat Chrysler besonders stark nach oben. Bei dem italienisch-amerikanischen Unternehmen sind die transatlantischen Verflechtungen besonders eng.

Sojabohnen: Trump kündigte an, dass die EU „fast sofort“ damit beginnen werde, große Mengen Sojabohnen aus den USA zu kaufen. Der US-Präsident bedankte sich dafür ausdrücklich bei Juncker. Allerdings handelt es sich hier um einen Prozess, der längst eingesetzt hat. Hintergrund ist der Handelskonflikt der USA mit China. Die Regierung der Volksrepublik hat als eine Gegenmaßnahme  auf amerikanische Zölle Strafabgaben auf US-Sojabohnen eingeführt. Das hat Tausende von Farmern im Mittelwesten, die zu Trumps Kernanhängerschaft zählen, in schwere Nöte gebracht. Die ausbleibende Nachfrage aus China hat die Preise in den Keller gehen lassen. Zumal ein Überangebot aufgrund einer guten Ernte entstanden ist. Um die Folgen für Landwirte zu mildern, hatte die US-Regierung ein milliardenschweres Nothilfe-Paket verkündet.

Doch Agrarmarktexperten gehen davon aus, dass sich die Lage schon bald deutlich entspannen wird. Der Preisverfall habe dazu geführt, dass Europa verstärkt US-Sojabohnen importieren werde, heißt es in Studien.  Die EU ist einer der weltweit wichtigsten Abnehmer für die Feldfrüchte, die vor allem als Futtermittel eingesetzt werden. Bislang war Brasilien einer der wichtigsten Lieferanten für die EU-Bauern. Doch für Sojabohnen aus dem südamerikanischen Land sind die Preise in den vergangenen Wochen massiv in die Höhe geschossen, weil dort jetzt die chinesischen Agrarier das Futter für ihre Tiere einkaufen.    

Flüssiggas: Trump kündigte überdies an, dass die EU mehr Flüssiggas (LNG) aus den Vereinigten Staaten importieren will. Diese Ansage soll vor allem die US-Öl- und Gasindustrie erfreuen, die in den vergangenen Jahren die Förderung des leichtflüchtigen Brennstoffs mit der umstrittenen Frackingmethode massiv ausgebaut hat.  Es dürfte allerdings noch einige Zeit dauern, bis der Gasexport in Schwung kommt. Die Kapazitäten für LNG sind allein dadurch beschränkt, dass es spezielle Terminals braucht, um das verflüssigte Gas von riesigen Schiffen zu pumpen. Über den Bau zusätzlicher Terminals wird seit Jahren diskutiert, auch in Deutschland. Der entscheidende Punkt ist dabei der Preis. Flüssiggas ist derzeit in Europa rund 20 Prozent teurer als das Pipeline-Gas, das vor allem aus Russland und Norwegen kommt. Dies soll im Fall von Russland sogar noch ausgeweitet werden - mittels der Pipeline Nord Stream 2, die durch die Ostsee führen wird.

Trump ist ein explizierter Gegner dieses Projekts. Er fordert von den Europäern, dass sie ihre Versorgung mit fossilen Energieträgern diversifizieren. Dabei spielt eine wichtige Rolle, dass in den nächsten Jahren insbesondere in den Niederlanden zahlreiche Erdgas-Quellen versiegen werden. Die LNG-Importe könnten bis 2040 um 20 Prozent steigen, hat die Internationale Energieagentur hochgerechnet. Allerdings muss dabei bedacht werden, dass mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien der Bedarf nach Erdgas-Einfuhren deutlich schwinden könnte. Mit Wind- und Sonnenstrom ist auch die Erzeugung von synthetischem Gas möglich.