Harry Potter will ich weiter lieben

Meine Tochter ist 17 Jahre alt. Früher habe ich ihr die Welt erklärt. Seit einiger Zeit erklärt sie mir ihre Welt. Ich habe mich entschlossen, zuzuhören.

Greta und ich.
Greta und ich.

MUTTER: Eine deiner Heldinnen steht gerade im Shitstorm. Hast du davon gehört? Das neue Buch von J.K. Rowling soll transfeindlich sein.

TOCHTER: Nee, bisher nicht.

In Videos werden gerade ihre Bücher verbrannt. Das ist furchtbar. Es sind heftige Reaktionen auf ihr neues Buch, geschrieben unter dem Pseudonym Robert Galbraith. Es gab mal einen Psychiater des Namens Robert Galbraith Heath, der mit einer Konversionstherapie Homosexuelle heilen wollte. Kritiker sagen, sie agiere als Protagonistin einer transphoben Bewegung. Das klingt nicht gut. Bist du traurig?

Ja, ich finde das total traurig. Das ist meine Lieblingsautorin. Ich liebe die Harry-Potter-Bücher und Filme. Ich bin richtig drin in dieser Welt, immer noch. Ich werde jetzt nicht aufhören, das zu lesen und anzusehen, weil es diese Vorwürfe gibt.

Ist es dir egal?

Anzeige | Zum Weiterlesen scrollen

Nein. Ich weiß ja nicht, ob es stimmt. Ich muss mir das Buch erstmal selbst ansehen. Aber ich finde das jetzt schon erschreckend, weil ich so nicht von ihr denke. Die Harry-Potter-Bücher sind trotzdem noch gut. Aber ich werde dann keine neuen Bücher mehr von ihr kaufen.

Dieses Problem hat es schon sehr oft gegeben. Astrid Lindgren zum Beispiel, die Heldin meiner Kindheit, hat sich wiederholt nationalistisch geäußert und natürlich findet man in ihren Büchern auch Belege für eine solche Grundhaltung. Das hat mich auch traurig gemacht. Ich wollte nicht, dass die Heldin meiner Kindertage aus meiner Sicht abseitige Positionen bezieht.

Das Problem ist, man hat die Leute als Vorbild, weil sie wunderschöne Bücher geschrieben haben und verbindet sie mit den Geschichten, aber Autoren sind natürlich auch Menschen. Das soll nicht rechtfertigen, wenn sie nationalistisch oder transphob sind, aber bei ihnen tut es eben doppelt weh. Zu Politikern würde man ja nie so eine enge Bindung aufbauen.

Warum ist das was anderes?

Ich lese Bücher, die ich gut finde, drei, vier Mal. Ich denke drüber nach und fühle mich dem Autor verbunden. Die Frage ist trotzdem, wie man damit dann umgeht, wenn er seltsame Sachen sagt oder macht. Das gibt es ja auch bei Filmen, wenn der Hauptdarsteller des Missbrauchs beschuldigt wird. Ist es dann sinnvoll, die Filme nicht mehr anzuschauen? Wenn die Werke gut sind, würde ich sie weiter mögen. Aber ich würde nicht mehr auf eine Veranstaltung mit dem Darsteller gehen.

Du würdest unterscheiden zwischen Person und Werk.

Ja, die Werke bleiben ja gut.

Ich habe das beim Lesen oder Zuschauen aber dann im Kopf. Wenn ich die Werke liebe, versuche ich es zu verdrängen, weil ich sie nicht verlieren will. Und das erstreckt sich auch auf die Person. Der Autor oder Filmemacher ist ja über sein Werk mein Vertrauter geworden, ein Seelenverwandter. Das macht es schwierig, sich zu trennen und die Werke nicht mehr anzusehen.

Du kannst sie ja weiter ansehen, du sollst bloß die Personen nicht mehr unterstützen. Ich werde weiter Harry Potter lesen und toll finden, aber ich werde keine Fanartikel kaufen, wenn sie wirklich eine solche Haltung hat. Das würde ich dann nicht unterstützen wollen.