„Hassrede“ – Profil eines Kampfbegriffs

Wer Internet-Straftaten bekämpfen will, sollte sich auf den Geist des Rechtsstaats besinnen und Gesinnungsrhetorik über „Hass und Hetze im Internet“ vermeiden

Demonstration gegen Hate Speech vor der Twitter-Zentrale in Tokio, 2017
Demonstration gegen Hate Speech vor der Twitter-Zentrale in Tokio, 2017Nicolas Datiche/imago

Internet-Exzesse sprachlicher Gewalt unter anderem gegen Minderheiten verlangen Gesetzesänderungen, wie das EU-Gesetz über Digitale Dienste sie entwirft. In Deutschland hat Christine Lambrecht bereits 2021 als Justizministerin entsprechend gehandelt. Die moralisierende Propagierung dieses richtigen Anliegens mit Phrasen wie „Hass ist keine Meinung“ und Kunstwörtern wie „Hassrede“ jedoch ist wohl gut gemeint, widerspricht aber dem Geist des Rechtsstaats.

Anhand der Webseite no-hate-speech werde ich die Irrtümer aufzeigen, die diesen Fehler bedingen. Denn nach ihren Unterstützern zu urteilen, repräsentiert sie den politischen Mainstream: Im Rahmen des Staatstreueförderprogramms „Demokratie leben“ bezuschusst das Familienministerium das Projekt, ebenso die ZEIT- und FAZ-Stiftungen sowie Twitter. Betreiber ist ein Verband von „Medienmachern“, der 2017 mit mehr als 500.000 Euro aus dem Kanzleramt unterstützt wurde und dessen frühere Chefin Ferda Ataman heute Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung ist.

„Hass“ ist eine psychologische und moralische Kategorie

„Hate Speech (zu Deutsch: Hassrede)“, so heißt es bei no-hate-speech, „ist ein politischer Begriff. Dementsprechend ist die Definition […] politisch umkämpft.“ Dieses Zitat erlaubt es, alles Relevante aufzuklären.

Ein politischer Begriff erfasst ein politisches (alle Bürger angehendes) Problem. Aber „Hass“ ist eine Emotion. Wer wen oder was hasst, ist unter Menschen prinzipiell verschieden. „Hass“ als Handlungsmotiv kann deshalb immer nur vermutet werden. Und diese Vermutung ist immer ihrerseits ein subjektiver, (küchen-)psychologischer Verdacht.

„Hass“ ist somit eine psychologische und moralische Kategorie, kann in Rechtsstaaten aber keine politische Kategorie sein. Denn Rechtsstaaten ahnden gesetzlich verbotene Taten bei Freiheit der Rede, der Gedanken und der Gesinnung. Ist „Hass“ aber in einem Rechtsstaat kein politisch verwendbares Konzept, dann kann „Hassrede“ dort auch nicht als „politisch umkämpfter“ Begriff gelten.

Der Kunstbegriff hat Verwirrungspotenzial

Deswegen ist der Kunstbegriff nicht sinnlos. Er hat Verwirrungspotenzial, indem er Moralisches und Politisches kreuzt: „Hass“ als subjektive Emotion mit moralisch schlechtem Ruf und „Rede“ als öffentlicher Akt. Diese logisch chaotisierende Vermengung markiert „Hassrede“ als politischen Kampfbegriff (genauso wie zum Beispiel  „Wissenschaftsleugnung“).

Wer „Hassrede“ anklagt, kann bei unachtsamen Zuhörern seine Spekulationen und Vorurteile über die Gesinnung anderer als Argumente in politische Diskussionen schmuggeln und dabei politische Gegner obendrein als moralisch niedrig darstellen.

Die „Medienmacher“ deuten sogar an, dass wir alle Gesinnungsprüfer werden könnten: „Was Hassrede ist, entscheiden […] die so Angesprochenen. Auch wenn die Betroffenen sich nicht zu Wort melden, können sich natürlich Dritte einschalten, um Hassrede zu benennen und auf sie zu reagieren.“

Das am Beispielbegriff „Hassrede“ studierte Foulspiel verwirrt die Sachdiskussion, unterteilt Bürger in „Gute“ und „Böse“ und lädt zur Denunziation ein. Es schadet der faktengestützten Erwägung ohne Ansehen der Person, die der Rechtsstaat verlangt. Ein Staat, der Gesinnungsspekulationen juristisch würdigen wollte, wäre ein Willkürstaat.

Den wünscht wohl kaum jemand, der gegen „Hass und Hetze im Internet“ angeht. Sagen wir besser einfach: Was in der Realwelt strafbar ist, das ist auch online verboten und auch dort zu verfolgen. Streichen wir den verworrenen und verwirrenden Gesinnungssprech.