Kohlen-Händler in Berlin: „Nachfrage wie mindestens seit der Wende nicht mehr“
In Berlin heißt es derzeit bei Briketts: Ham wa nicht. Die Produktion in der Lausitz läuft seit Monaten am Limit und pausiert nun ganz. Wann kommt Nachschub?

Kohlebriketts sind nachgefragt wie lange nicht mehr – und in Berlin derzeit kaum noch zu bekommen. „Holz und Kohle sind derzeit ausverkauft“, heißt es auf einem Schild an der Ladentür des Händlers Dirk Kögler in Kreuzberg. Und auch bei allen anderen der neun Kohlenhändler in der Stadt hört man am Telefon: Kohlen? Ham wa nicht.
Seit Russland die Ukraine überfallen hat und im Zuge der Sanktionen die Versorgung mit Gas, der wichtigsten Ressource zum Heizen, unsicher und teuer geworden ist, setzen viele Menschen offenbar wieder auf Briketts. Laut dem Sächsischem Brennstoff- und Mineralölhandelsverband (SBMV), der Unternehmen auch in Berlin vertritt, ist der Absatz innerhalb eines Jahres um fast 50 Prozent gestiegen. „Die Nachfrage ist gigantisch“, sagt eine Mitarbeiterin vom Brennstoffhandel Braun in Prenzlauer Berg am Telefon. „Und gerade können wir gar keine Briketts mehr liefern, weil in der Lausitz nicht produziert wird.“
In Deutschland werden nur noch an zwei Standorten Briketts hergestellt: im rheinischen Braunkohlerevier und in der Lausitz. An letzterem Standort produziert das tschechische Energieunternehmen LEAG im Kraftwerk Schwarze Pumpe. Der Sprecher des Unternehmens, Thoralf Schirmer, erklärt: „Für zwei Wochen standen die Maschinen still und mussten dringend gewartet werden.“ Seit vergangenem Oktober produziere die LEAG am „absoluten Limit“. Auch jetzt im Sommer im Drei-Schicht-System.
„Nachfrage wie seit der Wende nicht mehr“
Schon zum Ende des Pandemiejahrs 2021 habe die Nachfrage stark zugenommen, sagt Schirmer. „Nach dem Lockdown wurden auf einen Schlag überall auf der Welt die Produktionen wieder hochgefahren, dadurch sind die Gas- und Strompreise in die Höhe geschossen.“ Viele Menschen mit Ofen oder Kamin hätten sich daraufhin und vor allem mit Beginn des Krieges in der Ukraine auf eine preiswertere Variante zum Heizen besonnen: Briketts.
Jeden Tag werden von der Lausitz aus fast 4000 Tonnen des Brennstoffs in die Republik gesandt. Hauptsächlich an Baumärkte und Kohlenhändler. Aber das reicht derzeit bei Weitem nicht, um die Nachfrage zu bedienen. Unsere „Vertragspartner rufen mehr ab, als vertraglich vereinbart“, sagt Schirmer. Erst danach könne man Neukunden bedienen, von denen es inzwischen ebenfalls immer mehr gebe. „Eine Nachfrage, wie wir sie jetzt erleben, hat es mindestens seit der Wende nicht mehr gegeben“, sagt Schirmer. „Und wir rennen dieser Nachfrage hinterher.“
Bald produziert nur noch ein Unternehmen in der Lausitz
Eine klassische Berliner Altbauwohnung benötige je Ofen eine Tonne in einem durchschnittlich kalten Winter, sagt die Mitarbeiterin von Brennstoffhandel Braun. In Berlin gebe es noch etwa 6000 Wohnungen mit Ofenheizung, einige ihrer Kunden könnten wirklich nur mit Briketts heizen. „Ich hoffe, dass diese Kunden noch durch den Winter kommen“, sagt die Mitarbeiterin.
Zum Ende des Jahres wird die LEAG das einzige Unternehmen sein, das in Deutschland noch Braunkohlebriketts herstellt. Der Kohleveredlungsbetrieb Frechen im rheinischen Braunkohlerevier wird dann seinen Betrieb eingestellt haben. „Dann stehen wir als LEAG ziemlich allein in der Landschaft“, sagt Schirmer.
Je nachdem, wie lang der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Gaskrise noch dauert, werden viele Menschen wohl mindestens in diesem Winter vermehrt auf Briketts beim Heizen setzen. Ab Mitte August können sie in Berlin wohl auch wieder mit Kohle aus der Lausitz rechnen. Dann nämlich werden bei der LEAG die gewarteten Maschinen wieder hochfahren.