Innenministerium verzichtet auf neue Strategiepapiere

Eine Antwort auf die schriftliche Anfrage des Linken-Abgeordneten Jan Korte zeigt, dass das Seehofer-Ministerium keine aktuelle Bewertung der Krise hat. 

Berlin-Das Bundesinnenministerium (BMI) hat offenbar mit der Corona-Pandemie bereits abgeschlossen. So jedenfalls liest sich die Antwort auf eine schriftliche Anfrage des Bundestagsabgeordneten Jan Korte (Linke). Er hatte sich beim Seehofer-Ministerium erkundigt, welche Strategie- oder Szenarienpapiere zur Corona-Pandemie im BMI bisher erarbeitet wurden.

Politik der ruhigen Hand? Für Innenminister Horst Seehofer (CSU) ist in Sachen Corona alles beim Alten.
Politik der ruhigen Hand? Für Innenminister Horst Seehofer (CSU) ist in Sachen Corona alles beim Alten.Michael Kappeler/dpa

Drei Wochen brauchte das Ministerium für eine sehr kurze Antwort. Darin werden die beiden Papiere aufgelistet, die in der Öffentlichkeit bekannt sind. Es handelt sich dabei um das Strategiepapier „Wie wir Covid-19 unter Kontrolle bekommen“ sowie ein Papier zu „psychosozialen und soziologischen Effekten“ der Krise.

Immerhin ist nun bekannt, wer an dem ersten umstrittenen Szenario mitgearbeitet hat. In dem Papier „Wie wir Covid-19 unter Kontrolle bekommen“ raten Experten, den Bürgerinnen und Bürgern die Auswirkungen der Krise sehr drastisch zu verdeutlichen. So heißt es im „Kapitel 4a. Worst case verdeutlichen!“, man müsse „wegkommen von einer Kommunikation, die auf die Fallsterblichkeitsrate zentriert ist“, da sich viele denken könnten, dass dies ja nur die Alten betreffe.

Stattdessen wird geraten: „Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden: Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen, und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause. Das Ersticken oder nicht genug Luft kriegen ist für jeden Menschen eine Urangst.“

An dem Szenarienpapier haben insgesamt acht externe Wissenschaftler mitgewirkt, die am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, dem Institut der Wirtschaft Köln, an der Universität Lausanne und an der University of Nottingham China (UNNC) beschäftigt sind. „Die Mitautoren haben jeweils andere Abschnitte erarbeitet“, heißt es in der Antwort des BMI, die der Berliner Zeitung vorliegt. Wer das drastische Worst-Case-Kapitel verfasste, bleibt unklar. Das zweite Papier ist laut BMI ohne externe Beteiligung verfasst worden.

Der Linken-Abgeordnete und Parlamentarische Geschäftsführer seiner Fraktion, Jan Korte, zeigte sich verwundert, dass es über diese beiden Szenarien hinaus keine weitere Strategiepapiere gibt. „Normalerweise sollte man doch annehmen, dass sich das BMI und die Bundesregierung bemühen, in der Pandemie immer auf der Höhe der Zeit zu sein und die sich stetig verändernde Lage zeitnah zu analysieren“, sagte er der Berliner Zeitung. „Wie das mit nur zwei Papieren gelingen soll, die mittlerweile Monate alt sind, ist mir schleierhaft. Hier hätte ich mehr Professionalität erwartet.“

Ein drittes Papier, die „interne Analyse KM 4“ des BMI-Mitarbeiters Stephan Kohn aus dem Referat „Schutz kritischer Infrastrukturen“, wird in der Antwort nicht erwähnt. Es war von Minister Seehofer als private Meinung eines Mitarbeiters eingestuft worden, die nicht der Linie des Hauses entspreche. Kohn hatte die Pandemie darin als „Fehlalarm“ dargestellt.