Integration und Zuwanderung: SPD verschärft Ton in Flüchtlingskrise

Mit dem Abklingen der Willkommens-Euphorie für Flüchtlinge wird auch in der großen Koalition der Ton rauer. Nachdem SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Wochenende gefordert hatte, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse „deutlich sagen, dass mit einer Million Flüchtlinge in diesem Jahr unsere Möglichkeiten bei der Aufnahme nahezu erschöpft sind“, warf SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi am Montag der Regierungschefin vor, „ärgerlich lange gezögert“ zu haben, bis der Bund die Kommunen unterstützte. Fahimi forderte zudem, CDU-Innenminister Thomas de Maizière müsse endlich die Verfahren beschleunigen.

Der schärfere Ton markiert auch eine Akzentverschiebung innerhalb der SPD. Zwar hatte Parteichef Sigmar Gabriel früh hervorgehoben, bei der Integration der Zuwanderer müsse man auch die Anliegen und Sorgen der Deutschen ernst nehmen. Doch in dem von ihm bemühten Begriffspaar von „Zuversicht und Realismus“ wird inzwischen der Realismus stärker betont. „An 800.000 Flüchtlinge im Jahr 2015 glaubt kein Mensch mehr“, sagte Fahimi. Gabriel sagte der Süddeutschen Zeitung: „Wir müssen dringend im kommenden Jahr eine deutliche Verringerung der Flüchtlingszahlen in Deutschland erreichen.“

Keine ideologischen Debatten

Die Rhetorik gefällt nicht allen Genossen. Doch Berichte, es gebe in der SPD einen veritablen Streit über das Asyl-Thema, werden von Vertretern aller Flügel zurückgewiesen. So gab es nach Teilnehmerangaben am Sonntag bei einer einstündigen Telefonschaltkonferenz des Parteipräsidiums und der SPD-Ministerpräsidenten intensive Diskussionen, aber keine ideologischen Debatten.

„Das Grundrecht auf Asyl ist mit der SPD nicht verhandelbar“, betonte Fahimi. Darüber ist sich die SPD-Spitze einig. Gleichzeitig drängen aber nicht nur die SPD-Ministerpräsidenten auf eine massive Drosselung des Zustroms von Zuwanderern. „Wir sind am Limit“, hatte der linke Fraktionsvize Axel Schäfer schon vor einigen Tagen gesagt. „Auf die Dauer können wir nicht fast allein mit Schweden und Österreich Abertausende Flüchtlinge in Tagesfrist aufnehmen“, erklärt nun auch der linke Parteivize Ralf Stegner. 

Was muss geschehen?

Was aber muss geschehen? Im Laufe der nächsten Tage sollen nach Informationen dieser Zeitung Fraktionschef Oppermann, Justizminister Heiko Maas und die SPD-Innenminister der Länder diverse Vorschläge auf ihre Praktikabilität hin überprüfen. Große Skepsis herrscht  gegenüber der Einrichtung von Transitzonen an den Landesgrenzen, wo Flüchtlinge, die keinen Anspruch auf Asyl haben, gleich wieder abgewiesen werden sollen. Das plant Innenminister de Maizière.  Viele Genossen - darunter auch Justizminister Maas - halten den Vorschlag für nicht praktikabel.

Auffällig ist, dass Gabriel das Flüchtlingsthema ganz oben auf  seine Agenda gerückt hat. „Der stürzt sich da voll rein“, heißt es in seiner Umgebung. Die Profilierung gegenüber der erstmals angreifbaren CDU-Kanzlerin mag ihn dabei reizen. Ausschlaggebend aber dürfte die Befürchtung sein, dass ein Kippen der gesellschaftlichen Stimmung und mögliche Rivalitäten zwischen Zuwanderern und Deutschen um Jobs und bezahlbare Wohnungen die SPD-Wählerklientel in besonderer Weise negativ treffen.