Intersexuelle: Bundeskabinett bringt Gesetz für dritte Geschlechtsoption auf den Weg

Berlin - Die Bundesregierung hat eine Neuregelung auf den Weg gebracht, die es intersexuellen Menschen ermöglichen soll, ihre Identität ins Geburtenregister eintragen zu lassen. Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch den Gesetzentwurf für eine dritte Geschlechtsoption, wie das Bundesinnenministerium in Berlin mitteilte.

Bundesverfassungsgericht hatte Neuregelung verlangt

Das Bundesverfassungsgericht hatte eine entsprechende Neuregelung bis Ende diesen Jahres verlangt. Die Grünen kritisierten die Neuregelung als unzureichend. Nach Angaben des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), sieht die Neuregelung vor, dass bei der Eintragung ins Geburtenregister neben den drei bisherigen Varianten „weiblich“, „männlich“, und „ohne Angaben“ auch „divers“ angegeben werden kann.

„Kein Mensch darf wegen seiner sexuellen Identität diskriminiert werden“, erklärte Justizministerin Katarina Barley (SPD). „Es ist überfällig, dass wir das Personenstandsgesetz jetzt endlich modernisieren.“ Mit dem zusätzlichen Eintrag „divers“ werde Menschen, die sich nicht einem Geschlecht zugehörig fühlen, ein Stück Würde und eine positive Identität gegeben. Auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) begrüßte die Neuregelung. „Alle Menschen sollen ihre geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung selbstbestimmt und frei leben können“, erklärte sie nach dem Kabinettsbeschluss in Berlin.

Mit der Einführung der dritten Geschlechtsoption sei „ein wichtiger Schritt zur rechtlichen Anerkennung von Menschen, deren Geschlechtsidentität weder männlich noch weiblich ist, vollzogen worden“. Die Grünen warfen der Bundesregierung vor, die Diskriminierung von Trans- und Intersexuellen mit der Neuregelung fortzuschreiben. Das Verfassungsgerichtsurteil von 2017 habe den Weg eröffnet, um ein Selbstbestimmungsgesetz auf den Weg zu bringen, das trans- und intergeschlechtliche Menschen nicht länger pathologisiert, erklärten die Abgeordneten Sven Lehmann und Monika Lazar.

Aufhebung des Transsexuellengesetzes von vielen Seiten gefordert

Bei der Änderung des Personenstandes solle nicht länger ein ärztliches Attest erforderlich sein, forderten die Grünen. „Das muss eine selbstbestimmte Entscheidung werden, die allen offen steht.“ Außerdem dürfe es keine „geschlechtszuweisenden Operationen und Hormonbehandlungen an wehrlosen Säuglingen ohne medizinische Notwendigkeit“ mehr geben. „Das muss verboten werden.“

Auch Giffey forderte die Aufhebung des Transsexuellengesetzes. Es müsse „durch ein modernes Gesetz zur Anerkennung und Stärkung von geschlechtlicher Vielfalt ersetzt werden“, verlangte die SPD-Politikerin. Zwangssachgutachten über die geschlechtliche Identität von Menschen, wie sie bisher vorgesehen sind, seien „einfach nicht mehr zeitgemäß“. Das Innenministerium wies die Kritik zurück. Das Bundesverfassungsgericht habe dem Gesetzgeber aufgegeben, die Vorgaben der Entscheidung bis Ende dieses Jahres umzusetzen, erklärte Krings. „Deshalb war es notwendig, das Gesetz auf einschlägige Regelungen zu beschränken und es nicht mit einer Reform des Transsexuellenrechts zu verknüpfen.“

Barley kündigte an, unter gemeinsamer Federführung des Justiz- und des Innenministeriums solle ein Folgegesetz erarbeitet werden, das „einen weitgehenden Gleichklang“ der Verfahren für Inter- und Transexuelle schaffe. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Herbst 2017 entschieden, dass die bisherige Rechtslage gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstoße. Bei Intersexuellen handelt es sich um Menschen, deren Körper weibliche und männliche Merkmale aufweisen. Nach Einschätzung des Verfassungsgerichts könnten in Deutschland bis zu 160.000 intersexuelle Mnschen leben. (afp)