Interview mit Anti-G20 Aktivist : „G20–Mitglieder wetteifern um das größte Stück vom Kuchen“
Werner Rätz, Jahrgang 1952, ist einer der Mitbegründer des globalisierungskritischen Netzwerks attac Deutschland und war an diversen politischen Kampagnen und Aktionen der letzten Jahrzehnte beteiligt. Wir haben mit dem Anti-G20-Aktivisten Werner Rätz über den G20–Gipfel in Hamburg, Klimaschutz und Welthandel gesprochen.
Herr Rätz, die führenden Industrienationen der Welt wollen in Hamburg Probleme der Menschheit besprechen: Klimawandel, Migration, Armut. Attac und andere Organisationen kritisieren das G20-Treffen und planen eine Großdemonstration. Haben Sie etwas gegen Multilateralismus?
Werner Rätz: Gegen Multilateralismus haben wir nichts. Wir sind selbst begeisterte Internationalisten und haben auch nichts dagegen, dass Staatsleute miteinander sprechen. Unser Problem ist, dass sich unter dem Dach der G20 Staaten zusammengetan haben, die den Anspruch erheben, für die ganze Welt Entscheidungen zu treffen. Alle anderen Staaten können nur zuschauen, aber nicht mitreden. Die G20 sind der Versuch, die Bedingungen festzulegen, unter denen die Mitglieder ohne Rücksicht auf Interessen Dritter um das größte Stück vom Kuchen wetteifern.
Welche Staaten sollten denn zusätzlich teilnehmen, damit derartige Treffen eine faire Veranstaltung werden?
Die Fragen, die alle betreffen, müssen auch mit allen besprochen werden. Das bedeutet: Das richtige Forum, um über Menschheitsprobleme zu reden, sind die Vereinten Nationen. Natürlich funktioniert auch im Uno-System nicht alles, wie es sollte. Die Zusammensetzung des Sicherheitsrates spiegelt nicht die tatsächlichen Verhältnisse auf der Welt wider, und reiche Staaten mit einem starken Verwaltungsapparat können ihre Interessen in der Organisation viel besser zur Geltung bringen als arme Länder. Trotzdem sind die Vereinten Nationen der einzige Ort, an dem alle zusammensitzen. Nur Entscheidungen, die hier getroffen werden, sind ausreichend legitimiert.
Folgt daraus, dass die G20 abgeschafft werden sollten?
Ja, so sehen wir das.
Ein ganz wichtiges Thema bei G20-Treffen ist stets der Welthandel. Attac kritisiert den Handel in seiner gegenwärtigen Form. In Hamburg werden sich voraussichtlich alle Staatslenker für Freihandel einsetzen, mit Ausnahme von US-Präsident Donald Trump. Ist Trump Ihr Verbündeter?
Nein, in keiner Weise. Und wir lassen uns auch nicht von ihm vereinnahmen. Es ist ja keinesfalls so, dass Trump den Freihandel ablehnte. Er will nur Regeln, die den USA einseitige Vorteile verschaffen. Seine Vorstellungen sind nicht mit unseren vereinbar. Wir von Attac sind nicht per se gegen den internationalen Austausch von Waren und Dienstleistungen. Aber wir sind gegen Handelsbeziehungen, die nur dazu dienen, weltweit Kostenvorteile zu Lasten anderer auszuspielen.