Interview mit Musiker Edson Cordeiro über seine Sorge vor einem Rechtsruck

Edson Cordeiro lebt seit vielen Jahren in Berlin. Der 51-jährige Brasilianer gilt als einer der besten Countertenöre der Welt und hat sowohl klassische als auch Pop-Platten eingespielt, für die er mehrfach international ausgezeichnet wurde. Zur Zeit befindet sich Cordeiro in Brasilien, am Wahlabend war er bei seiner Familie. Im Interview spricht er über die Angst vor einem Rechtsruck in dem lateinamerikanischen Land und die Gefahr für Minderheiten.

Herr Cordeiro, Sie befinden sich gerade in Ihrem Heimatland Brasilien. Wie haben Sie den Sonntagabend, also den Wahlsieg des Rechten Jair Bolsonaro erlebt?

Ich war am Sonntagabend zu Hause bei meiner Familie und hörte draußen, wie die Menschen den Wahlsieg Bolsonaros feiern. Ich bin nicht froh über dieses Ergebnis, aber er ist demokratisch von einer Mehrheit der Brasilianer gewählt worden. Die Meinung dieser Menschen müssen wir respektieren, auch, wenn ich sie nicht teile.

"Ich habe mich in Brasilien nie sicher gefühlt."

Sie sind homosexuell, was müssen Schwule und Lesben in Brasilien nun befürchten?

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In den 14 Jahren der vorherigen Regierung hat sich für die LGBT-Community, für die Schwulen, Lesben und Transgender wenig zum Positiven geändert. Nun aber müssen wir fürchten, dass die kleinen Fortschritte, die wir gemacht haben, alle wieder rückgängig gemacht werden. Dass wir alles verlieren, was wir an Rechten bis jetzt erstritten haben.

Befürchten Sie persönliche Repressionen, wenn Sie in Brasilien sind?

Ich habe in Brasilien immer Angst, wenn ich auf die Straße gehe. Ich überlege immer, wie ich aussehe. Wie bin ich angezogen? Kann ich jemanden damit provozieren? Ich habe immer Angst vor Repressalien und ich habe mich in Brasilien nie sicher gefühlt. Brasilien war schon immer homophob und gefährlich. Jetzt wird es wahrscheinlich noch schlimmer werden, weil Bolsonaro Homophobie legitimiert.

Haben Sie denn Angst um Ihre Freunde und Ihre Familie in Brasilien?

Die Angst um meine Familie und meine Freunde habe ich, seitdem ich denken kann, seitdem ich ein Bewusstsein für die Gefahren habe. In Deutschland kann man sich diese Angst kaum vorstellen. Den ganzen Tag tauschen wir miteinander Nachrichten aus, ob wir sicher sind oder gut bei der Arbeit, bei der Uni angekommen sind.

"Wir feiern das schwule Lebensgefühl"

Was denken Sie, warum die Brasilianer Bolsonaro gewählt haben?

Dafür gibt es meiner Meinung nach zwei Gründe. Erstens: Viele Brasilianer haben Jair Bolsonaro aus Protest gewählt. Weil sie nicht froh darüber waren, wie die Arbeiterpartei PT dieses Land 14 Jahre lang regiert hat. Das waren Wähler, die aus Rache und Vergeltung gewählt haben. Der zweite Grund ist, dass viele Menschen in Brasilien denken und fühlen wie Bolsonaro. Diese große Gruppe war immer da, ähnlich vielleicht wie die Wähler von Donald Trump in den USA.

Sie leben seit vielen Jahren aus genau diesen Gründen in der deutschen Hauptstadt. Ist es Ihnen möglich, von Deutschland aus etwas in Ihrer Heimat Brasilien zu bewirken?

Ich habe gerade in Berlin einen Musik-Clip mit zwei brasilianischen Drag Queens Ruda Puda und Van Essa da Silva gedreht „Tudo no meu pé“, eine Samba, die extra für mich geschrieben wurde. Wir feiern damit das schwule Lebensgefühl und die freie Ausdrucksweise durch unsere Kunst, durch Kultur. Das war schon immer mein Weg, gegen Intoleranz und Homophobie zu protestieren, ich mache das so seit den 90er-Jahren. Daher sind einige Clips von mir in Brasilien auch verboten beziehungsweise wurden nicht im brasilianischen Fernsehen gesendet. Ich habe bei den ersten Christopher-Street-Paraden in Brasilien gesungen, weil ich auch in Brasilien für unsere Rechte kämpfen will und werde.