Herr Paes, wären Sie überrascht, wenn sich in einem möglichen Hauptverfahren gegen ehemalige Mitarbeiter der Firma Heckler & Koch herausstellen würde, dass es verbotenerweise Waffenexporte in mexikanische Unruheprovinzen gegeben hat?
Nein, grundsätzlich nicht. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass das Sturmgewehr G36 an Orten aufgetaucht ist, an denen es eigentlich nicht auftauchen sollte. Ich denke da beispielsweise an den Fund, den Rebellen vor einigen Jahren im Palast von Muammar al-Gaddafi in Libyen gemacht haben.
Würde sich bei einem Verfahren allerdings herausstellen, dass es sich im konkreten Fall um Missetaten einzelner Mitarbeiter gehandelt habe, wie es das Unternehmen behauptet, fände ich das tatsächlich überraschend.
Was meinen Sie damit konkret?
Die wirtschaftliche Situation von Heckler & Koch ist alles andere als rosig, was unter anderem daran liegt, dass die Rüstungsexportpolitik in Deutschland im Vergleich zu früher zunehmend restriktiver wird. Da kann ein Unternehmen schon mal kreativ werden, um Einnahmen zu generieren.
Der Vorgänger des G36, das G3, wurde ebenfalls schon häufig an Orten etwa in Afrika gefunden, wo das Gewehr eigentlich nicht hingehört. Solche Dinge passieren viel zu häufig, als dass es sich dabei um Einzelfälle von einigen wenigen Mitarbeitern handeln könnte.
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Wie schätzen Sie dabei die Rolle der zuständigen Behörden ein?
Man konnte in der Vergangenheit schon den Eindruck erlangen, dass die zuständigen Stellen mehr die Interessen der Exportindustrie im Blick hatten als wirklich wirkungsvolle Kontrollen. Wenn Gewehre in mexikanische Bundesstaaten geliefert werden, auch außerhalb der Konfliktregionen, ist es naiv zu glauben, dass sie irgendwann nicht auch in andere Hände gelangen könnten.
Sind die Waffen erst einmal geliefert, ist ihre spätere Nutzung nur noch schwer nachvollziehbar. Um dem entgegenzuwirken, müssten die Behörden beispielsweise die Bestände im Empfängerland regelmäßig kontrollieren. Dafür fehlt es aber bislang unter anderem an qualifiziertem Personal. Aber selbst dann gäbe es keine hundertprozentige Sicherheit.
Bei Terroristen und Kriminellen auf der ganzen Welt ist insbesondere die Kalaschnikow – ebenso ein Sturmgewehr wie das G36 – äußerst beliebt. Woran liegt das?
Auch wenn oft kolportiert wird, dass selbst Kinder ohne Probleme mit einer Kalaschnikow umgehen können, entspricht das nicht der ganz der Wahrheit. Das Gewehr wiegt immerhin rund vier Kilogramm und wenn jemand damit schießt, ohne sich damit auszukennen, kann es ihn umwerfen. Ein gewisser Kenntnisstand gehört fraglos dazu.
Es stimmt allerdings, dass der Umgang mit der Waffe problemlos innerhalb weniger Tage gelernt werden kann. Und dann ist die Waffe natürlich absolut tödlich. Das macht die Kalaschnikow für viele Gruppen attraktiv. Außerdem ist das Gewehr extrem solide, wenig wartungsintensiv und sehr leicht zu beschaffen. Insbesondere, nachdem im Verlauf der 1990er Jahre der Eiserne Vorhang fiel, wurden zahlreiche dieser Waffen auf den Schwarzmarkt geschwemmt, auch in Europa.
Droht dem G36 ein ähnliches Schicksal?
Momentan ist das G36 bei afrikanischen Rebellengruppen oder Terroristen sicher nicht die erste Wahl. Das liegt ganz einfach daran, dass es aktuell auf dem Schwarzmarkt nur sehr schwer zu beschaffen und einfach zu teuer ist. Es handelt sich dabei schließlich um ein Hightech-Produkt.
Für die Zukunft ist die Entwicklung nur schwer vorauszusagen. Klar ist allerdings: Jeder Export lässt die Chance steigen, dass eine Waffe in die falschen Hände gerät. Dazu gehören beispielsweise auch Lieferungen wie die der Bundeswehr an die kurdische Peschmerga im Nordirak. Da kann man ganz sicher davon ausgehen, dass diese Waffen nicht mehr zurückkommen. Und wo sie dann am Ende eingesetzt werden, kann niemand sagen.