Israels Präsident Rivlin in Berlin: Rivlin nennt Besuch in Berlin historisch
Der letzte Transport von Gleis 17 ging nach Theresienstadt: 18 Personen, am 27. März 1945. Als es anfing im Oktober 1941, waren es oft mehr als tausend Berliner Juden, die vom Bahnhof Grunewald aus nach Minsk, Riga, Warschau oder Lodz, das von den Nazis Litzmannstadt genannt wurde, deportiert wurden. Später waren die häufigsten Zielorte Auschwitz und Theresienstadt. Israels Staatspräsident Reuven Rivlin hat den Bahnhof Grunewald am Montag besucht.
Es ist der erste Termin seines Deutschland-Besuchs nach der Begrüßung durch Bundespräsident Joachim Gauck am Morgen. Sie gilt der Gegenwart einer gemeinsamen Vergangenheit. „Der Holocaust wird immer ein Trauma bleiben“, sagte Rivlin vor Reiseantritt, „für die Deutschen und natürlich noch mehr für die Juden.“
Die deutsch-israelischen Beziehungen „nehmen die Vergangenheit in Kauf, ziehen die Lehren daraus und richten gleichzeitig den Blick in die Zukunft.“ Das Programm seines Besuchs richtet den Blick zurück nach vorn: Zweiter Termin des Tages ist der Besuch des Deutsch-Israelischen Jugendkongresses in der Berliner Kalkscheune am Nachmittag, gemeinsam mit dem Bundespräsidenten.
Besuch in Berlin "historisch"
Rivlin nennt seinen Besuch „historisch“. Vor fünfzig Jahren, am 12. Mai 1965, nahmen Israel und die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen auf. Beide Staaten blicken also zurück auf fünf gemeinsame Jahrzehnte. Dass sich die Beziehungen so gut entwickeln würden, sei durchaus nicht selbstverständlich gewesen, erklärte Rivlin. Und Gauck wiederholte in seiner Tischrede am Abend einen Satz Chaim Herzogs, der 1987 als erstes Staatsoberhaupt Israels Deutschland besucht hatte: „Es ist ein Wunder, dass sich nach der Schoah Versöhnung und Verständigung entwickeln konnten.“
Die ersten Jahrzehnte der deutsch-israelischen Beziehungen standen im Schatten des Wettstreits zweier deutscher Staaten um internationale Anerkennung. Dem Treffen von Premier David Ben-Gurion und Kanzler Konrad Adenauer 1960 in New York folgten immerhin noch fünf Jahre, in denen die Bundesrepublik zögerte, diplomatische Beziehungen zu Israel aufzunehmen. Sie wusste, die arabischen Staaten würden dies mit einer Anerkennung der DDR beantworten. So überschnitten sich im Kalten Krieg deutsch-deutsche Rivalitäten mit dem israelisch-arabischen Konflikt.
Reuven Rivlin selbst war ein Protagonist des Widerstands gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Als im August 1965 Rolf Pauls als erster Botschafter der Bundesrepublik in Israel seinen Antrittsbesuch machte, war der Student Reuven Rivlin unter den Demonstranten, die mit Sprechchören und Spruchbändern gegen den ehemaligen Wehrmachtsoffizier Pauls protestierten. Rivlin nennt sein Engagement von damals eine „Laune des Schicksals“.
Gauck spricht heute von einer „einzigartigen Vielfalt der Beziehungen, einem lebendigen Miteinander in Politik und Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur“. Deutschland ist Israels größter Handelspartner in Europa. Die Regierungen kommen zu regelmäßigen Konsultationen zusammen. Der gesellschaftliche Austausch gelingt inzwischen längst auch ohne Regierungsprogramme. Man interessiert sich füreinander – Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten eingeschlossen.
Gespräch mit Merkel und Steinmeier
Ein wohlwollend kritisches Verhältnis schwebt offenbar auch dem israelischen Staatspräsidenten vor: „Wir können akzeptieren, nicht immer einer Meinung zu sein“, sagte Rivlin im Interview mit dem ZDF. Deutschland müsse allerdings verstehen, dass die Notwendigkeit Israels zur Selbstverteidigung zu Entscheidungen führen könne, die für Europa nicht immer akzeptabel seien. Auch müsse Deutschland Israel nicht in jeder Hinsicht und um jeden Preis unterstützen.
Die Bundesregierung unterstützt eine Zwei-Staaten-Lösung im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Reuven Rivlin vertritt eine grundsätzlich andere Position. Gelegenheit zu Kontroversen wird es an diesem Dienstag geben – im Gespräch des Präsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier.