Jedes Jahr erhalten Partei-Stiftungen über 660 Millionen Euro – aber wofür eigentlich?

Das Verfassungsgericht sieht eine Ungleichbehandlung der AfD-Stiftung. Denn die Konkurrenz kriegt viel Geld. Was finanzieren CDU, SPD, Grüne und FDP damit?

Allein die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU unterhält 111 Auslandsbüros in 80 Ländern.
Allein die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU unterhält 111 Auslandsbüros in 80 Ländern.Schöning/imago

Jede der großen etablierten Parteien in Deutschland unterhält eine parteinahe Stiftung. Sie werden aber nicht durch Spenden oder Mitgliedsbeiträge finanziert, sondern aus Steuergeldern. Jedes Jahr erhalten die Stiftungen von CDU, CSU, SPD, Grünen, FDP und Linke mittlerweile insgesamt gut 660 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt. Allein aus dem Haushalt des Innenministeriums sind für dieses Jahr 148 Millionen Euro an sogenannten Globalzuschüssen eingeplant.

Die Mittel werden im Verhältnis zu den jeweiligen Wahlergebnissen der Parteien bei Bundestagswahlen ausgeschüttet. Damit finanzieren die Stiftungen politische Bildungsarbeit, zum Beispiel über Stipendien für Studenten, Seminare, aber auch Auslandsbüros der Stiftungen in aller Welt. Allein die Alternative für Deutschland war bis jetzt von den großen Töpfen ausgeschlossen.

Verfassungsgericht stellt Ungleichbehandlung der AfD fest

Seit dem heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht nun das gesamte System der Finanzierung parteinaher Stiftungen infrage. Das Gericht erkannte eine Ungleichbehandlung der AfD gegenüber den politischen Wettbewerbern im aktuellen Prozedere und mahnt nun ein neues Gesetz zur finanziellen Ausstattung der vorpolitischen Einrichtungen an. Doch das kann noch ein wenig dauern, und bis dahin wird wohl nach dem alten Schema verfahren.

Die sechs großen parteinahen Stiftungen sind nach berühmten Politikern der jeweiligen Partei oder Persönlichkeiten, die ihr nahestanden, benannt. Nach Konrad Adenauer bei der CDU, bei der CSU nach Hanns Seidl, nach Friedrich Ebert bei der SPD, nach Friedrich Naumann bei den Liberalen und nach Heinrich Böll bei den Grünen. Nur die AfD hat ihre Stiftung nach dem niederländischen Philosophen des 15. und 16. Jahrhunderts Desiderius Erasmus benannt.

Seit Jahren steigen die Mittel für die Stiftungen, von denen in Deutschland außerhalb des politischen Betriebs wenige etwas mitbekommen. So wuchsen die Zuwendungen des Bundes an die politischen Stiftungen von 295 Millionen Euro im Jahr 2000 um 43,5 Prozent auf 423,2 Millionen Euro im Jahr 2011. Von 2005 bis 2014 stiegen die Etats insgesamt um fast 50 Prozent. 2017 stieg der Betrag weiter auf 581,4 Millionen Euro.

Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin
Friedrich-Ebert-Stiftung in BerlinReiner Zensen/imago

Dabei ist die Voraussetzung für die Vergabe von Steuermitteln, dass der betreffenden Partei zum zweiten Mal in Folge der Einzug in den Bundestag gelungen ist. So erhielt die Rosa-Luxemburg-Stiftung erstmals 1999 Steuergelder. Für eine AfD-nahe Stiftung bestand daher erst ab der Wahlperiode 2021 Anspruch. Falls eine Partei aus dem Bundestag fliegt, wird die ihr nahestehende Stiftung gemäß einer Übergangsregelung nur noch in der folgenden Legislaturperiode finanziert. Das war von 2013 bis 2017 bei der FDP und der Friedrich-Naumann-Stiftung der Fall. Durch den Wiedereinzug in den Bundestag 2021 konnte die Stiftung weiterfinanziert werden.

Keine klaren Regeln für Finanzierung

Doch klar sind die Förderkriterien bis heute nirgendwo geregelt. Als Richtschnur gilt ein Karlsruher Urteil aus dem Jahr 1986. Darin heißt es: „Alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland [müssen] angemessen berücksichtigt“ werden.

Hehre Ziele verfolgen die Parteien nach eigenen Angaben. So heißt es beispielsweise auf der Website der SPD-nahen Ebert-Stiftung: „Wir stehen für Werte. Mit der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbewegung verbindet uns das Streben nach Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und dem Erhalt des Friedens.“ Doch wofür genau geben die Stiftungen das Geld aus?

Viel Geld fließt in Hunderte von Auslandsbüros

Viel fließt in die Standorte im In- und vor allem im Ausland, die sogenannten Landesbüros in aller Welt. Allein die Konrad-Adenauer-Stiftung ist mit 111 Büros in mehr als 80 Ländern vertreten. An Standorten von Tokio bis Buenos Aires und Kapstadt bis Vancouver finden sich Stiftungsbüros. Auch für Stipendien geben die Stiftungen Geld aus. Dabei werden oft Studenten gefördert, die sich bereits im Studium mit der jeweiligen Partei identifizieren und womöglich später auch als Politiker infrage kommen. So war die beispielsweise bei Annalena Baerbock, heute Außenministerin, einst Promotionsstipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung.

Immer wieder gibt es auch Kritik an der Mittelverwendung. In einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) aus dem Jahr 1998 wurden sie als „diplomatische Hilfstruppen“ bezeichnet. Sie würden eine „Nebenaußenpolitik“ betreiben. Es gehe darum, im Ausland „politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Eliten, denen eine besonders wichtige Rolle bei der Etablierung demokratischer und marktwirtschaftlicher Strukturen zukommt, zu fördern“. Die Stiftungen würden das tun, was „die regierungsoffizielle Außenpolitik aufgrund einer auch durch fundamentale völkerrechtliche Normen gebotenen Zurückhaltung kaum in vergleichbar direkter Weise“ verfolgen könne.