Jörg Kachelmann: „Moskwa ist nicht wegen Sturm gesunken, weil es keinen gab“
Das russische Kriegsschiff Moskwa ist gesunken. Von russischer Seite wird behauptet, es sei wegen eines Sturms gekentert. Jörg Kachelmann widerspricht.

Das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte, der Raketenkreuzer „Moskwa“, ist nach Angaben aus Moskau gesunken. Der angeschlagene Raketenkreuzer sei am Donnerstag während eines Sturms untergegangen, als er an sein Ziel geschleppt werden sollte, berichtete die Staatsagentur Tass unter Berufung auf das russische Verteidigungsministerium. Ein Abschleppen sei notwendig geworden, da das Schiff seine Stabilität aufgrund von Schäden am Rumpf verloren habe, der während eines „Brandes durch die Detonation von Munition“ beschädigt worden sei. Angaben zur Brandursache gab es nicht.
Von ukrainischer Seite hatte es zuvor geheißen, das Schiff sei von einer oder zwei Anti-Schiffsraketen getroffen worden. Bereits in der Nacht zu Donnerstag hatte Moskau mitgeteilt, die Besatzung der „Moskwa“ sei vollständig evakuiert worden. Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, sagte dem TV-Sender CNN, es sei wahrscheinlich, dass es bei dem Vorfall Tote und Verletzte gegeben habe. An Bord seien bis zu 500 Soldaten gewesen.
Der russischen Version, ein Sturm sei für den Untergang der „Moskwa“ verantwortlich, widersprach der Meteorologe Jörg Kachelmann. Er schrieb auf Twitter: „Die #Moskva ist ganz sicher nicht wegen eines Sturms gesunken, weil es keinen #Sturm gab.“ Kachelmann verlinkte seinen Beitrag mit einer Analyse der Wetterdaten der Region und des entsprechenden Datums. Außerdem kritisierte er öffentlich-rechtliche Medien, die sich auf russische Staatsmedien bezogen hatten, um den Grund für die Zerstörung der „Moskwa“ auf einen vermeintlichen Sturm zurückzuführen. Kachelmann schrieb: „Manchmal wünschte ich mir, dass es bei Medien einen Recherche-Impetus gäbe, der oberhalb desjenigen eines abgetauten Kühlschranks wäre und der mit einem Zeitaufwand von zwei Minuten (...) nachsieht, ob es wirklich einen Sturm gab und das Ergebnis gleich in die Meldung einbaut.“
Die #Moskva ist ganz sicher nicht wegen eines Sturms gesunken, weil es keinen #Sturm gab.https://t.co/HpfnL6VWWf https://t.co/Dz9paWlOor
— Jörg #StandingWithUkraine (@Kachelmann) April 14, 2022
Manchmal wünschte ich mir, dass es bei Medien einen Recherche-Impetus gäbe, der oberhalb desjenigen eines abgetauten Kühlschranks wäre und der mit einem Zeitaufwand von 2 Minuten (zB bei uns) nachsieht, ob es wirklich einen Sturm gab und das Ergebnis gleich in die Meldung einbaut https://t.co/EKklQlpVoO
— Jörg #StandingWithUkraine (@Kachelmann) April 15, 2022
Das Schiff kam erstmals 2008 in Georgien zum Einsatz
Entworfen wurde der Raketenkreuzer der Atlant-Klasse als Zerstörer von Flugzeugträgern. 1983 wurde er unter dem Namen „Slawa“ (Ruhm) in Betrieb genommen. Das 186 Meter lange Kriegsschiff, 1995 in „Moskwa“ (Moskau) umbenannt, war mit 16 Seezielflugkörpern vom Typ Basalt/Wulkan – der Marineversion der Langstreckenraketen vom Typ S-300 – und Osa-Kurzstreckenraketen ausgerüstet. Es verfügte zudem über Raketenwerfer und Torpedos.
Laut der Nachrichtenagentur Ria Nowosti wurde das Schiff zweimal umfangreich überholt und modernisiert, zuletzt in den Jahren 2018 bis 2020. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums bot der Kreuzer Platz für eine 680-köpfige Besatzung. Stationiert war die „Moskwa“ in Sewastopol, dem Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte auf der 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim.
Erstmals in einem bewaffneten Konflikt kam das Schiff in Georgien im August 2008 zum Einsatz. Nachdem sich Russland auf der Seite des Machthabers Baschar al-Assad in den Syrien-Krieg einschaltete, wurde die „Moskwa“ zwischen September 2015 und Januar 2016 im östlichen Mittelmeer eingesetzt. Dort sicherte sie nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums den russischen Luftwaffenstützpunkt Hmeimim in Syrien ab.
Auch Putin nutzte das Schiff
Seit dem 24. Februar war der Raketenkreuzer auch an der russischen Offensive gegen die Ukraine beteiligt. Zu Beginn des Konflikts hatte das Schiff die nahe der rumänischen Grenze gelegene ukrainische Schlangeninsel attackiert. Der Funkverkehr mit den ukrainischen Grenzschützern auf der Insel ging viral: Auf die Aufforderung, sich zu ergeben, antworteten die Grenzwächter: „F..ck you“. Kurz darauf beschossen die „Moskwa“ und das Schiff „Wassili Bykow“ die Insel, die ukrainischen Soldaten wurden gefangen genommen.
Das Schiff erfüllte für Moskau auch diplomatische Zwecke: So war der Raketenkreuzer an dem Einsatz rund um das Gipfeltreffen von Malta zwischen Michail Gorbatschow und dem US-Präsidenten George Bush im Dezember 1989 beteiligt, das auf dem Schiff „Maxim Gorki“ stattfand.
Für diverse Militärmanöver reiste das Schiff um die Welt und ging in zahlreichen europäischen, asiatischen und afrikanischen Häfen vor Anker. Der russische Präsident Wladimir Putin nutzte den Kreuzer zudem, um seine engsten politischen Vertrauten mit militärischen Ehren zu empfangen, unter anderem im August 2014 in Sotschi den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi oder bei einem Besuch in Italien den dortigen Regierungschef Silvio Berlusconi.