Joschka Fischer: Lob für Olaf Scholz und Spott über die Letzte Generation

Joschka Fischer stellte im Berliner Ensemble sein neues Buch vor. Dabei kritisierte er die Letzte Generation und war dem Moderator voraus.

Joschka Fischer, ehemaliger deutscher Außenminister und Vizekanzler, stellte sich den Fragen im Berliner Ensemble.
Joschka Fischer, ehemaliger deutscher Außenminister und Vizekanzler, stellte sich den Fragen im Berliner Ensemble.KEYSTONE

Von 1998 bis 2005 war der Grüne Joschka Fischer Bundesaußenminister, das heißt, er ist seit mehr als anderthalb Jahrzehnten außer Dienst. Dennoch zieht sein Name noch immer: Das Berliner Ensemble ist an diesem heißen Montagabend gut gefüllt. Auf den roten Stühlen sitzen vor allem ältere Menschen, da und dort kann man hinter der freiwillig getragenen FFP2-Maske aber auch ein junges Gesicht erahnen. Dass sie alle in der drückenden Hitze anderthalb Stunden aufmerksam zuhören, kann aber auch an der Thematik des Buches liegen, das Fischer im Gespräch mit dem Zeit-Journalisten Bernd Ulrich vorstellt.

Joschka Fischers neues Buch: Es geht ums Ganze

Es heißt „Zeitenbruch“ und thematisiert die größte Herausforderung der Menschheit: den Klimawandel, der die Neuausrichtung der Weltpolitik notwendig macht. Die letzten Tage der Menschheit, könnte man auch zynisch sagen. Denn in Fischers Buch geht es darum, dass die einzige Chance auf das Überleben der Menschheit in einer neuen globalen Zusammenarbeit liegt. Das Buch war fertig, dann kam der russische Überfall auf die Ukraine, der im Grunde das Worst-Case-Szenario in Fischers Ausführungen beschreibt, nationalistische Machtpolitik, statt sich gemeinsam der wirklichen planetarischen Herausforderung zu stellen.

Es geht daher an diesem Abend auch erst mal um Olaf Scholz’ Zeitenwende. Die dazugehörige Rede hält der frühere Außenminister für eine „historische Leistung“ samt dem schnell umgesetzten Sondervermögen für die Bundeswehr. Im Publikum wirken einige so, als hätten sie jetzt eher ein paar Witze auf Kosten des SPD-Kanzlers erwartet. Fischer ist aber nicht nach Witzen zumute. Putins Krieg hält er für Irrsinn. Punkt. Dass es das letzte Aufbäumen einer fossilen Supermacht sein könnte, wie Bernd Ulrich nachfragt, hält er für zu kompliziert gedacht.

„Das ist natürlich Käse“, kommentiert der frühere Außenminister eine Frage

Es ist überhaupt ein schwieriges, streckenweise geradezu verkorkstes Gespräch, in dem Fischer mit den kompliziert-verschraubten Fragen des Zeit-Journalisten nicht so viel anfangen kann. „Das ist natürlich Käse“, sagt er einmal brüsk, als er etwas verschwurbelt nach einer für die Klimapolitik notwendigen Radikalität gefragt wird. Vielleicht liegt das ja am Ort. Vor wenigen Wochen saß die Altkanzlerin Angela Merkel mit dem Spiegel-Journalisten Alexander Osang auch auf dieser Bühne und antwortete ebenfalls klarer, als sie gefragt wurde. Zwei Fragen stellt sich Fischer dann gleich mal selbst. „Hätte ich mehr machen müssen? Ja“, sagte er und setzt hinzu: „Hätte ich mehr machen können? Eher nein.“ Die Bundesrepublik hat Ex-Spitzenpolitiker, die mit sich selbst sehr im Reinen sind.

Fischer lobt aber auch die Vorgehensweise des aktuellen grünen Wirtschaftsministers. „Ich wäre auch nach Katar geflogen,“, sagt er. Und: „Ich bin froh, dass meine Partei in der Regierung ist.“ Überhaupt zeigt er sich im Gespräch viel optimistischer, als es sein eher düster wirkendes neues Buch ahnen ließe. „Ich bin überzeugt, dass wir die Mehrheiten bekommen“, sagt er im Hinblick auf die Klimawende. „Die Demokratien sind viel stärker, als wir glauben.“

Auch Ralf Fücks stellt am Nachmittag ein neues Buch vor – es gebt um den Liberalismus

Diese Zuversicht teilt er mit seinem Parteikollegen Ralf Fücks, der wenige Stunden zuvor ebenfalls ein neues Buch vorgestellt hat, nur einen knappen Kilometer entfernt im Allianz Forum am Pariser Platz. Während Joschka Fischer den Sozi gab und von der SPD größere Anstrengungen bei der Verteilungsgerechtigkeit forderte, verteidigte Fücks den Liberalismus. „Liberalismus neu denken – freiheitliche Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit“ heißt das Werk, das er gemeinsam mit Rainald Manthe herausgegeben hat. Marco Buschmann, der FDP-Justizminister, ist auch dabei und freut sich sichtlich, dass Fücks das Thema Tankrabatt zwar kurz als „inkonsistente Politik“ erwähnt, aber nicht weiter vertieft.

Joschka Fischer kommt nicht so leicht davon. Aus dem Publikum fragt eine Frau, warum er zuvor die Proteste der Letzten Generation so kritisiert habe. Über die hatte Fischer gesagt, dass es nicht wirklich radikal sei, wenn man sich – „mit Produkten von BASF“ – am Asphalt festklebe. Die Frau fragt, ob er nicht auch der Meinung sei, dass es ja wohl die jungen Leute von Fridays for Future waren, die das Thema Klimawandel am Ende der letzten Legislaturperiode erst so richtig auf die politische Agenda gedrückt hätten. Das gibt Fischer sofort zu. Dennoch ist er der Meinung, dass auch die rebellische Jugend ihre Mehrheiten im Parlament zusammensuchen muss. Daraufhin rechnet ihm ein anderer Zuhörer vor, dass die Boomer eine erdrückende Mehrheit innehaben „und das mindestens so lange, bis wir weltweit drei Grad Klimaerwärmung haben“. Dagegen weiß dann auch Joschka Fischer nichts mehr einzuwenden.