Regierungszahlungen an ÖRR-Journalisten: Das ist die Liste der Honorare

Vor allem Journalisten von ARD und ZDF haben üppige Vergütungen von der Regierung erhalten. Auch der Geheimdienst steckt mit drin.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht mit Linda Zervakis, Journalistin, Moderatorin und Autorin, auf der Republica 2022 über Digitalpolitik in der Zeitenwende. 
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht mit Linda Zervakis, Journalistin, Moderatorin und Autorin, auf der Republica 2022 über Digitalpolitik in der Zeitenwende. Annette Riedl/dpa

Jetzt ist die Katze aus dem Sack. 200 Journalisten haben in den vergangenen fünf Jahren für die Bundesregierung gearbeitet und dabei ordentlich kassiert. Das geht aus einer Liste hervor, die der Berliner Zeitung vorliegt. Darin werden Honorare abgebildet, die der Staat an Journalisten zahlte.

Welch große „Überraschung“, dass vor allem öffentlich-rechtliche Medien gemeinsame Sache mit der Regierung machen. Der Großteil der brisanten Honorare ging an die Rundfunksender ARD und ZDF. Dabei sollen sie doch frei von Bundes- und Landesregierungen berichten. Immerhin zahlen wir für ihre unabhängige und staatsferne Berichterstattung pro Quartal mehr als 55 Euro. 

Auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion zu „mögliche[n] Zahlungen von Bundesministerien an Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) und privatrechtlicher Medien“ folgte eine lange Antwort der Bundesregierung. Zusammengefasst haben die Bundesregierung und nachgeordnete Bundesbehörden Honorare im Wert von rund 1,5 Millionen Euro an Journalisten etwa für Moderationen, Teilnahmen an Podiumsdiskussionen, Erstellung von Videoinhalten oder Kommunikations- und Medientrainings gezahlt. Mittlerweile teilte das auch der Bundestag mit.

Bundesregierung und ÖRR stecken unter einer Decke

Mehr als die Hälfte (rund 900.000 Euro) der gesamten Honorarsumme entfiel zwischen Ende 2017 und 2022 an Journalisten des ÖRR und des Auslandssenders der Deutschen Welle. Neben ARD und ZDF zählen auch Journalisten beim WDR und RBB zu den insgesamt 116 Profiteuren beim ÖRR. Bei den privaten Medien fällt die Zahl etwas kleiner aus: Hier flossen an 84 Journalisten unter anderem vom Spiegel, der Zeit und vom Tagesspiegel rund 600.000 Euro. 

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) liegt auf Platz eins mit rund 200.000 Euro, zumindest wenn es um die Vergabe von Honoraren an Journalisten des ÖRR geht. Es folgt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit rund 143.000 Euro. Pressevertreter von privaten Sendern und Zeitungen erhielten von den benannten Ministerien im Gegensatz „nur“ 96.000 Euro (BMBF) bzw. 56.000 Euro (BMWK).

Bundesregierung beruft sich auf „Geschäftsgeheimnis“

In der Auflistung nicht enthalten sind Honorare, die der Bundesnachrichtendienst (BND) an Pressevertreter zahlte. Dies ist laut Bundesregierung aus „Staatswohlgründen“ nicht möglich. Die Kooperationen des BND seien „besonders schützenswert“ und müssten „vertraulich behandelt“ werden.

Eine Offenlegung der Kooperationspartner würde das Ansehen von deutschen Nachrichtendiensten und das Vertrauen in diese weltweit erheblich schädigen, heißt es in der Antwort der Regierung. Dementsprechend bestünde die ernst zu nehmende Gefahr eines weitreichenden Wegfalls von Kooperationsmöglichkeiten. Das bedeute gleichzeitig einen Erkenntnisverlust der deutschen Nachrichtendienste. Signifikante Informationslücken und unzureichende Darstellungen der Sicherheitslage Deutschlands wären weitere negative Folgen. „Insofern muss ausnahmsweise das Fragerecht der Abgeordneten gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung zurückstehen.“

Auch Namen der beauftragten Journalisten werden in der Auflistung nicht offengelegt. Grund ist laut Bundesregierung der Datenschutz. Die Namen der Journalisten wurden pseudonymisiert, durch Nummern ersetzt. Daneben werden Geldbeträge für mehrere Veranstaltungen aufsummiert, anstelle sie einzeln darzustellen. Die Bundesregierung antwortet darauf: „Mit Blick auf das die jeweiligen Aufträge betreffende Geschäftsgeheimnis werden die Zahlungsbeträge je Bundesministerium/Bundesbehörde nur in aggregierter Form aufgeführt.“

Damit hat Moderatorin Linda Zervakis sicher nicht gerechnet

Schaut man sich die Liste der Honorarzahlungen jedoch genauer an, entpuppt sich daraus die eine oder andere prominente Person. Angefangen bei Linda Zervakis. Die ProSieben-Moderatorin und ehemalige „Tagesschau“-Sprecherin ist in der Honorar-Liste eindeutig Journalist 97.

Journalist 97 entpuppt sich als Linda Zervakis und kassiert für die zwei Moderationen stolze 12.044,31 Euro.
Journalist 97 entpuppt sich als Linda Zervakis und kassiert für die zwei Moderationen stolze 12.044,31 Euro.Bundesregierung

Im Jahr 2018, 2019 und 2020 hat Journalist 97 laut der Liste im Auftrag des Bundeskanzleramtes die Verleihung des Nationalen Integrationspreises moderiert. Im Jahr 2022 folgte die Moderation eines Gesprächs mit dem Bundeskanzler und der Veranstaltung „Deutschland.Einwanderungsland: Dialog für Teilhabe und Respekt“. Es ist offenkundig, dass Zervakis für diese Veranstaltungen gebucht wurde. Für die genannten zwei Veranstaltungen im Jahr 2022 erhielt sie vom Bundeskanzleramt und der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration abgerundet 12.000 Euro.

Aber nicht nur Zervakis ist dabei. Auch die stellvertretende ZDF-Chefredakteurin und Leiterin der ZDF-Hauptredaktion Anne Gellinek wird als Journalist 58 enttarnt. Sie hat am 29. August 2022 eine Diskussion zum Thema Energiepolitik in der Europäischen Union mit Ursula von der Leyen und Robert Habeck moderiert. Auf Anfrage von Pleiteticker antwortete das ZDF, dass Gellinek dafür kein Honorar entgegennahm. Seltsam, denn in der Liste wird es dennoch im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums abgebildet.

Neben den zwei genannten Journalistinnen bleiben auch Monika Jones (Journalist 21) von der Deutschen Welle, Anja Heyde (Journalist 6) vom ZDF-„Morgenmagazin“, Angela Elis (Journalist 49) von ARD, ZDF sowie 3sat und mittlerweile freie Moderatorin, Andrea Thilo (Journalist 73) vom ÖRR und Shelly Kupferberg (Journalist 10) vom Deutschlandradio und RBB mit Honoraren im wahrscheinlich fünfstelligen Bereich nicht unentdeckt.

Kommen hier nicht Interessenskonflikte auf?

Aus der Liste der Bundesregierung geht weiter hervor, dass einige Pressevertreter nur einmalig Zahlungen erhielten – andere wiederum haben sich mehrfach aus Steuergeldern finanzierte Honorare zahlen lassen. Aber wie ist das mit dem „neutralen Journalismus? Kommen hier nicht Interessenskonflikte auf? Immerhin decken sich nicht selten Themengebiete des Hauptjobs der Journalisten mit Aufträgen der Bundesregierung. 

Interessant wird in diesem Zusammenhang Journalist 27. Im Jahr 2018 hat er im Lehrauftrag des damaligen Bundesfinanzministers und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz unter anderem „Pressesprecherlehrgänge“ und „Medientraining“ gegeben. Dabei arbeitete er, wie in der Liste angegeben, „u. a. [für] WDR, NDR, ZDF“. Das bedeutet: Der Journalist bereitete Pressesprecher auf Interviews vor, während er selbst als Festangestellter des ÖRR die Aufgabe hat, dem Interviewpartner die Wahrheit zu entlocken. 

„Von Staatsferne und unabhängiger, kritischer Kontrolle politischen Handelns kann unter diesen Umständen keine Rede sein“, sagt Staatsrechtler und ehemaliger CDU-Verteidigungsminister Rupert Scholz. Darf ein Journalist, der eigentlich für die objektive Berichterstattung einstehen sollte, gleichzeitig Politiker schulen, wie sie kritischen Fragen ausweichen können? Wie sich herausstellt: leider ja.

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