Kölner Silvesternacht: De Maizière lobt die Polizisten

Köln/Düsseldorf - Zeuge 156 muss über eine Stunde auf seinen Auftritt vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) Silvester in Düsseldorf warten, die beiden Befragungen zuvor haben länger gedauert als geplant. Um 16.40 Uhr betritt Thomas de Maizière (CDU) den Saal und äußert zuerst seine Erschütterung über die Vorgänge in der Kölner Silvesternacht – für „mich persönlich und unser ganzes Land“. Die Taten hätten eine „einschneidende Dimension für die Bundesrepublik Deutschland“ gehabt, sagt der Bundesinnenminister.

Wie vor ihm schon die NRW-Landesregierung stellt auch de Maizière klar, dass seinem Ministerium die Brisanz der Vorfälle erst am Montag, 4. Januar, aus den Medien bekanntgeworden sei. Den drei behördeninternen Berichten der Polizei Köln vom 1. Januar über die Nacht seien Brisanz und Ausmaß der Ereignisse nicht zu entnehmen gewesen.

De Maizière ist der prominenteste Zeuge, den die Parlamentarier bisher befragt haben. Der Bundesinnenminister soll den Abgeordneten im Landtag vor allem Fragen über die Rolle der Bundespolizei in der Silvesternacht beantworten. Und de Maizière spart nicht mit Kritik an der Behörde, wenn er sagt, dass auch die Bundespolizei das Ministerium nicht rechtzeitig informiert habe. Dies sei „intensiv nachbereitet“ worden. Allen Polizisten, die in der Nacht im Einsatz waren, zollte der Minister großen Respekt. „Sie haben unter schwierigsten Bedingungen ihr Bestes getan.“

„Eigentumsdelikte konnten nicht verhindert werden, obwohl Polizei anwesend war“

Das wiederum hatte in einem TV-Interview am 5. Januar noch etwas anders geklungen. „Da wird der Platz geräumt und später finden diese Ereignisse statt und man wartet auf Anzeigen. So kann die Polizei nicht arbeiten“, hatte der 62-Jährige seinerzeit gesagt. Vor dem Ausschuss stellt er nun klar, dass er diese Aussage zum einen nicht speziell auf die Landes- oder Bundespolizei bezogen wissen wollte. Zum anderen habe er vor allem die Medienarbeit der Polizei gemeint. Die Kölner Behörde hatte am Neujahrsmorgen verkündet, es sei „alles friedlich“ verlaufen – wie sich im Nachhinein herausstellte offenbar wegen interner Kommunikationsfehler. „Zahlreiche Angriffe, vor allem auf junge Frauen, sexuelle Übergriffe und auch Eigentumsdelikte konnten nicht verhindert werden, obwohl Polizei anwesend war“, präzisiert de Maizière vor dem Ausschuss. Dies dürfe in einem Rechtsstaat „nicht noch einmal“ geschehen.

Erstmals schilderte der Bundesinnenminister, wie er am 11. Januar nach Köln geflogen sei, um mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker über die Ereignisse zu sprechen – vor allem aber mit Bundespolizisten, die in der Nacht vor dem Bahnhof im Einsatz waren. Er habe daraus bewusst keinen öffentlichen Pressetermin gemacht. Mit Blick auf die Ermittlungen gegen die Silvestertäter hoffe er, dass es zu weiteren Anklagen kommt, sagte de Maizière. Die Täter müssten bestraft werden und – wenn rechtlich geboten – Deutschland verlassen. Scharf kritisierte er in diesem Zusammenhang den Bundesrat, der dem Gesetzentwurf von Bundesregierung und Bundestag bislang nicht gefolgt sei, Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Die mutmaßlichen Täter aus den Maghreb-Staaten seien in der Regel nicht schutzbedürftig und nutzten die Asylverfahren nur zur Verlängerung ihres Aufenthalts in Deutschland. Allerdings dürfe man nicht alle Flüchtlinge unter Generalverdacht stellen, fügte der Innenminister hinzu. Zeitweise hitzig geriet zuvor der forsche Zeugenauftritt von Ole Schröder (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Wahlkampf lag in der Luft. Schröder kritisierte die Rolle der Landespolizei in der Silvesternacht. Er sei erstaunt, dass die Kölner Behörde sich nicht „für das Ganze“ verantwortlich gefühlt habe, vor allem für die Sicherheit auf dem Fußweg der Hohenzollernbrücke. Dort war spätestens gegen Mitternacht ein gefährliches Gedränge entstanden, Menschen waren auf die Gleise geflüchtet, die Bundespolizei ließ die Gleise schließlich für eine Stunde sperren. Auf die Frage der FDP, warum die Bundespolizei, die wegen des Grenzschutz-Einsatzes in Bayern personell stark gebeutelt war, bei der Planung des Silvestereinsatzes nicht die Landespolizei um stärkere Unterstützung gebeten hat, antwortete Schröder: „Die Landespolizei hätte den Bundespolizei-Führer wahrscheinlich ausgelacht.“ Die Bundespolizei, so Schröder, schaffe bis 2020 insgesamt 17,5 Prozent neue Stellen, das gelinge der rot-grünen Landesregierung in NRW nicht. SPD-Obmann Hans-Willi Körfges widersprach heftig, das Gegenteil sei richtig: „Wir kündigen das nur nicht an, wir machen es einfach.“

Als erster Zeuge hatte der Chef des Bundespolizeipräsidiums in Potsdam, Dieter Romann, die Kommunikationspanne in seiner Behörde eingeräumt. Obwohl er in der Silvesternacht wegen eines Terroralarms in München selbst im Einsatz war, habe er von den Ereignissen in Köln erst am Montagmorgen, 4. Januar, aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfahren. Darüber sei er „not amused“ gewesen. Weitere Fehler seiner Behörde sieht er nicht. Die Bundespolizei hätte mit Blick auf die Terrorgefahr schon fast doppelt so viele Beamte am Kölner Hauptbahnhof eingesetzt wie in den Vorjahren – fast 70. Mehr sei nicht möglich gewesen, allein 1500 Bundespolizisten seien in jener Nacht in Bayern an der deutsch-österreichischen Grenze eingesetzt gewesen. In Bayern war laut Romann auch jene Beleuchtungstechnik im Einsatz, die die für Köln zuständige Bundespolizeidirektion St. Augustin ursprünglich für den Bahnhofsvorplatz angefordert hatte.