Links blinken, rechts abbiegen: Wird Sahra Wagenknecht jetzt Bundeskanzlerin?

Das ist die heißeste Herbstforderung jener Menschen, die gegen die politische Straßenverkehrsordnung verstoßen. Klar, dass es zu geistigen Zusammenstößen kommt. 

B nach C, Ostbesuch, 263 km.
B nach C, Ostbesuch, 263 km.Berliner Zeitung/Pajović/Amini

Was weiß ich denn schon über Leipzig? Außer vielleicht: Bach, Leibniz, Völkerschlacht, Montagsdemos, Jürgen „Baulöwe“ Schneider, Porno-Sachsen-Paule, die Polizei, dein Freund und Fahrradhehler, dazu Fußballbullen aus der Dose. Und jetzt muss ich noch schnell die Katze aus dem Sackbahnhof lassen: Leipzig wird niemals ein zweites Berlin sein, weil es das gar nicht will. Das in etwa ist die Kurzgeschichte, die ich hier ungefragt über die so viele Messen singende Stadt erzählen kann. Und dann war ich mal wieder selbst da und durfte erfahren, dass die nächste deutsche Bundeskanzlerin aller hufeisenhaltiger Voraussicht nach Sahra Wagenknecht heißen wird.

Gehört habe ich das auf dem demonstrationserprobten Leipziger Augustusplatz, wo am vergangenen Montagabend der sogenannte Heiße Herbst angefacht worden ist, gleichzeitig von links und rechts. In der Zeitrechnung des Volkszorns ist der Heiße Herbst die Jahreszeit, die vor dem Wutwinter kommt. Und unter den Tausenden wegen eines baldigen Kälteeinbruchs in der Gesellschaft – oder einfach nur in den eigenen Füßen? – besorgter Menschen befanden sich eben nicht wenige, die vorsätzlich gegen die politische Straßenverkehrsordnung verstießen. Diese Menschen blinken mal links, mal rechts, um dann mal rechts, mal links abzubiegen. Es musste natürlich zu geistigen, aber auch zu körperlichen Zusammenstößen kommen.

Da war zum Beispiel dieser Mann, denn unter den Irrlichtern und Falschfahrern in Leipzig waren sehr viele Männer unterwegs, die jüngeren mit Brusttasche und in Klamotten von Camp David, die älteren in Anglerwesten und mit Regenschirmen von Rossmann. Jedenfalls führte dieser Mann im fortgeschrittenen Rentneralter den Demonstrationsspaziergang der offen Rechtsextremismus praktizierenden „Freien Sachsen“ an. Aus Hunderten Kehlen riefen sie „Wir sind das Volk!“, forderten „Frieden, Freiheit, keine Diktatur!“ und versprachen sich gegenseitig den „Widerstand!“ der Straße.

Eine angelesene Links-rechts-Schwäche

Auf dieser, nämlich vor dem Leipziger Hauptbahnhof, hatten sich („Helme auf!“) dann doch noch Polizeibeamte in Stellung gebracht, um die spazierenden Volkswiderständler umzuleiten. Nur wollte das der regenschirmfuchtelnde Rentner nicht einsehen, also begann er eine Art Argumentationskette zu geifern: „Schämt ihr euch nicht!“, „Dafür bezahlen wir euch nicht!“, „Straße frei!“, „Ich bin nicht rechts, ich bin nicht links, ich bin gerade!“ Geradeaus ging es letztlich nicht weiter, die Rechten mussten abbiegen, nach links, zurück Richtung Augustusplatz.

Dort war eine Stunde zuvor Jürgen Elsässer am Mikrofon, der rechtsextreme Marktschreier und Chefhetzer des Hetzmagazins Compact, und als er die Menge mit „Sahra! Sahra! Sahra!“ anheizte, nickten nicht nur die Regenschirmrentner um ihn herum, sondern viele andere, die sich offenbar eine Links-rechts-Schwäche angelesen haben. In einem Offenen Brief an Sahra Wagenknecht hatte Elsässer ja geschrieben: „Du spielst eine entscheidende Rolle für den Volkswiderstand, weil Du – im Unterschied zu Deiner verkommenen Partei – in breiten Kreisen anerkannt bist. Würde der Bundeskanzler direkt gewählt: Du würdest schon morgen im Chefsessel von Scholz sitzen.“

Und das ist sie dann wohl, die heißeste Herbstforderung zurzeit, die offizielle Linksblinkerin und gelegentliche Rechtsabbiegerin Sahra „Wir haben die dümmste Regierung Europas“ Wagenknecht als Bundeskanzlerin. Mal schauen, welche Wutwinterwünsche uns aus Sachsen erreichen werden.  Bleibt nur eine Frage: Was noch war noch mal Leipziger Allerlei?

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In der neuen Kolumne „Ostbesuch“ berichtet Paul Linke alle zwei Wochen aus seinem Zwischenleben in Chemnitz und Umgebung. Sachsen sucks? Von wegen!