Kommentar: Die nächste Ost-Generation stellt Fragen

Die Zahlen mögen manchen überraschen. Doch die Statistik lügt in diesem Falle sicher nicht. Sie besagt nämlich, dass 2012 etwa zehn Prozent mehr Menschen nach Stasi-Akten über sich fragen als im Jahr zuvor – wobei es nicht immer solche Akten gibt. Das Interesse verharrt seit 2002 auf ungefähr demselben und anhaltend hohen Niveau und ist jetzt noch einmal gestiegen. Das lässt zweierlei Schlüsse zu.

Die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit ist keineswegs beendet. Ganz im Gegenteil. Die Menschen stellen Fragen, individuell und gesellschaftlich. Dies lässt sich auch an der „Dritten Generation Ost“ ablesen. Der Zusammenschluss junger Ostdeutscher, der seit zwei Jahren existiert, fordert die Eltern auf, über ihre Vergangenheit zu sprechen. Das ist noch keine machtvolle Bewegung, wie es sie in den 60er-Jahren im Westen gegeben hat. Auch fehlt der moralisch hohe Ton, der nach den unvergleichlichen Verbrechen der Nationalsozialisten eine gewisse Berechtigung hatte.

Doch ein Indiz für Veränderungen ist diese Dritte Generation Ost gewiss. Es sind nicht mehr die Bürgerrechtler von einst, die den Diskurs bestimmen, sondern ihre Nachfolger.

Klar ist auch: So lange das Interesse an den Stasi-Akten so groß ist wie jetzt, gibt es Gründe, die Stasi-Unterlagen-Behörde über 2019 hinaus zu erhalten. Die Zahlen sind eine willkommene Bestätigung für den Behörden-Leiter. Er wird sie nutzen.