Umfrage zeigt Bürger in Ohnmacht: Lässt sich ein Wechsel in Berlin nicht wählen?

Eine exklusive Forsa-Umfrage zeigt enorme Unzufriedenheit mit dem Senat. Doch trauen die Berliner auch anderen Koalitionen keine Veränderung zu. Ein Kommentar.

Berlin wählt am 12. Februar ein neues Landesparlament, weil die letzte Abstimmung ungültig war.
Berlin wählt am 12. Februar ein neues Landesparlament, weil die letzte Abstimmung ungültig war.Jens Kalaene/dpa

Die Berliner wissen, was sie nicht wollen. Sie wollen kein Weiter-so in der Berliner Politik. Das zeigt eine exklusive Umfrage von Forsa im Auftrag der Berliner Zeitung eine Woche vor der Wahl. Die Werte für die Arbeit des Senats und die der Regierenden Bürgermeisterin zeugen nicht von Zufriedenheit im Wahlvolk. Im Gegenteil: Drei Viertel der Berliner sind unzufrieden mit der Regierung und nur ein Viertel traut den gegenwärtigen Bündnispartnern von Rot-Grün-Rot zu, die Probleme in der Stadt lösen zu können.


Dieser Kommentar bezieht sich auf eine Forsa-Umfrage, die am 4. Februar 2023 im Auftrag der Berliner Zeitung durchgeführt wurde. Lesen Sie die Ergebnisse


Doch was sie wollen, wissen die Berliner offenbar auch nicht. Zwar weht ein Hauch von Wechselstimmung durch die Stadt, doch trotz der großen Unzufriedenheit hat Rot-Grün-Rot immer noch eine Mehrheit und es glaubt nur eine Minderheit, dass andere Koalitionen bessere Arbeit leisten würden.

Giffey musste weitermachen wie bisher

Die CDU ist trotz allem der größte Profiteur dieses Wechselwunsches. Auf 26 Prozent kann sie ihren Vorsprung ausbauen. Das ist der beste Wert für die Christdemokraten in Berliner Umfragen seit acht Jahren. Neun Punkte liegen sie mittlerweile vor der SPD. Das ist jenseits jeder Fehlertoleranz. Und auch Spitzenkandidat Kai Wegner selbst hat Franziska Giffey in der Frage, wen die Berliner direkt wählen würden, mittlerweile überholt. Lange zog Giffey die SPD nach oben, jetzt zieht die CDU Wegner hoch. Bettina Jarasch spielt da keine Rolle.

Die Berliner bleiben gleichzeitig höchst skeptisch, ob sich ein Wechsel überhaupt wählen lässt. Steht eine neue Politik gar nicht zur Wahl?

Franziska Giffey war vor gut anderthalb Jahren mit dem Versprechen angetreten, die Dinge in der Stadt zu verändern. Kein Weiter-so, sagte sie. Sie signalisierte dem bürgerlichen Lager offensiv, seine Anliegen ernster zu nehmen: weniger Ideologie, mehr Pragmatismus beim Bauen, beim Verkehr, bei der Sicherheit. Sie liebäugelte mit einer Deutschland-Koalition oder zumindest der FDP als einem Koalitionspartner. Doch am Ende musste Giffey weitermachen wie bisher: mit Rot-Grün-Rot.

Wenn die Probleme immer größer und die Alternativen immer kleiner werden

Das Versprechen eines Wechsels wurde enttäuscht. Seit Jahren war Giffey die Erste, der viele die Überzeugung und die Kraft zutrauten, Berlin zu drehen. Die Überzeugung nehmen ihr noch immer viele ab, allein an der Kraft fehlt es. Es drängt sich ein Bild auf, dass die Berliner SPD die Politik ihrer Spitzenkandidaten gar nicht will. Sie möchte mit Giffeys Bekanntheit und Beliebtheit gewinnen, aber dann weiter ihr Süppchen mit Grünen und Linken kochen.

Nun gibt es Stimmen, die sagen, das sei alles nicht neu. In Berlin wird eben gern gemeckert. Doch tatsächlich werden die Probleme größer. So knapp wie heute war Wohnraum seit Jahrzehnten nicht. Die Unzufriedenheit mit dem Verkehr und der Bildung steigt immer weiter. Seit Silvester ist auch die Debatte über mangelnde Integration neu entfacht. Das kommt zwar in der Berichterstattung kaum noch vor, doch in den Kreisverbänden ist das Thema sehr präsent.

Wenn die Probleme immer größer und die Alternativen immer kleiner werden, wird es gefährlich. Wenn sich der Wechsel nicht mehr wählen lässt, schlägt Unzufriedenheit in Ohnmacht oder gar in Wut um. Viele Menschen wenden sich ganz von der Politik ab. Schon jetzt zeigt sich an den niedrigen Zahlen der Briefwähler, dass mit einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung zu rechnen ist. Andere wenden sich radikalen Kräften zu. Und das kann wirklich keiner wollen.

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