Elektronische Patientenakte: Irrationale Ängste beim Datenschutz
Seit 20 Jahren wird über die elektronische Patientenakte gesprochen. Nun kommt sie endlich. Ein Kommentar.

20 Jahre lang war offenbar alles viel zu schwierig. Wer Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Donnerstag zugehört hat, konnte sich nochmal anhören, warum wir in Deutschland bis heute immer noch nicht flächendeckend die elektronische Patientenakte haben. Schwierig, nicht weitergekommen, nicht möglich, keine gelungene Digitalisierung, waren die Worte Lauterbachs.
Eine Vielzahl von Umschreibungen für ein andauerndes Versagen. Und trotzdem ist das noch erheblich untertrieben. Der mangelnde Zugriff auf Gesundheitsdaten ist einer der Gründe, warum Deutschland bis heute ein digitales Entwicklungsland ist. Und mehr noch: Kaum einer weiß davon, dass es auch jetzt schon elektronische Möglichkeiten gibt. Man muss sich allerdings aufwändig registrieren. Und selbst wer es weiß – Angst vor Datenkraken und digitaler Ausspähung stehen im Vordergrund. So gut wie niemand nutzt das.
Stattdessen ärgern sich Patienten über den fehlenden Zugriff auf die eigenen Daten. Sie müssen bis heute ihre Befunde auf Papier oder CD gepresst meist selbst abholen und damit dann von Arzt zu Arzt reisen. Ein Wunder, dass wir schon Computer haben in diesem Land. Aber auch irgendwie erstaunlich.
Zaubertrick Widerspruchslösung
Jetzt soll auf einmal alles besser werden. Bis Ende 2025 sollen 80 Prozent aller Patientenakten digitalisiert sein. Zugriffe für Patienten, Ärzte, Forschung inklusive. Möglich wird das aber nur durch einen kleinen Zaubertrick werden: die Widerspruchslösung – wer nicht widerspricht, bekommt eine elektronische Akte. Anders als bei der Organspende ist das hier anscheinend möglich.
Tatsächlich muss man in Deutschland wohl mit solcherlei Tricks arbeiten, um die Ängste beim Datenschutz auszuhebeln. Diese Angst hat etwas Irrationales. Es ist doch ein Witz, dass vom Einkaufen über Banking und Steuern mittlerweile alles digital läuft. Nur bei der Gesundheit nicht? Dass es keine datensicheren Systeme gäbe, ist jedenfalls nichts als eine Ausrede.