Berlin-Wahl: Mit jedem Tag steigen Kai Wegners Chancen auf das Rote Rathaus
Bei Rot-Grün-Rot riecht es weiter wenig nach Fortsetzung. Der Klima-Volksentscheid im März könnte den letzten Ausschlag für einen Wechsel geben. Ein Kommentar.

Auch zwei Wochen nach der Berliner Wiederholungswahl ist noch nicht absehbar, in welcher Besetzung der Berliner Senat in die verbleibenden dreieinhalb Jahre der laufenden Amtsperiode geht. Macht Rot-Grün-Rot weiter? Oder schafft es Wahlsieger Kai Wegner von der CDU doch noch ins Rote Rathaus? Und wenn ja, mit wem als Partner: SPD oder Grüne?
Inzwischen haben alle mehrmals miteinander geredet – am Freitag noch einmal die CDU mit der SPD. Doch noch immer weiß man nichts Genaues. Aber ganz ehrlich: Wer hatte anderes erwartet? Das Ergebnis der Wahlen ist vertrackt für die politisch Verantwortlichen der drei großen Parteien.
Berlin-Wahl: Noch immer gibt es für CDU, SPD und Grüne mehrere Optionen
Am Montag wird das amtliche Endergebnis verkündet. Sollten sich bis dahin nicht noch bisher übersehene Stimmzettel anfinden oder andere Unregelmäßigkeiten bekannt werden, hätten alle irgendwie gewonnen: Die CDU wäre mit Abstand stärkste Partei und könnte sich bestenfalls einen Koalitionspartner aussuchen. Die SPD hätte zwar Verluste hinnehmen müssen, bliebe aber – Stand jetzt – mit hauchdünnem Vorsprung vor den Grünen stärkste Regierungspartei, wenn die Koalition weitermacht. Sie könnte aber auch zur CDU wechseln oder in die Opposition gehen, um sich zu erneuern. Die Grünen hätten als einzige Regierungspartei so gut wie nichts eingebüßt. Sie könnten ihre rot-grün-rote Präferenz ausleben. Oder sie könnten etwas für Berlin Neues wagen: Schwarz-Grün.
Aber die Spitzenkandidaten hätten eben auch alle verloren – oder zumindest ihr Ziel (noch) nicht erreicht: Bettina Jarasch würde zum zweiten Mal hintereinander nicht Regierende Bürgermeisterin. Franziska Giffey hätte nach dem schlimmen Wahlergebnis in Wahrheit so gut wie keine Legitimation mehr für irgendeine Option. Und Kai Wegner? Ihm drohte weiter das Schicksal eines Königs, der einfach nicht ins Schloss hineinkommt.
Heute setzen wir die Gespräche mit der SPD fort. Es geht darum, weitere offene Themen zu besprechen, um auszuloten, ob ein stabiles Bündnis für Berlin möglich ist. Wir freuen uns auf den Austausch. pic.twitter.com/wFMKp2lW5k
— Kai Wegner (@kaiwegner) February 24, 2023
Sondierungsgespräche finden hinter verschlossenen Türen statt. Hinterher sondern die Sondierer mehr oder weniger nichtssagende Statements ab. Am Donnerstagabend sagten die Rot-Grün-Roten nach ihrem mittlerweile zweiten, diesmal siebenstündigen Gespräch, man habe „intensiv“ geredet, vor allem über den kommenden Umgang miteinander. Dieser müsse sich dringend verbessern.
Ach so? Ach ja! Schließlich hat erst die reichlich vermurkste rot-grün-rote Performance der vergangenen sechs Jahre zunächst eine Wiederholungswahl überhaupt nötig gemacht und in Folge dessen die Sollbruchstellen zwischen den Einzelteilen gnadenlos offengelegt.
Dennoch spricht natürlich immer noch eine Menge für eine Fortsetzung: parlamentarische Mehrheit, kulturelle Nähe, angefangene Projekte, die man – nun aber wirklich! – zum Erfolg bringen wolle.
Andererseits spricht nichts dafür, dass die Irritationen und gegenseitigen Seitenhiebe künftig unterblieben. Im Gegenteil: Erst haben alle Linken und die meisten Grünen für den Enteignungsvolksentscheid getrommelt und damit ihre Koalitionspartner SPD ganz bewusst in Nöte gebracht. Im März droht der nächste Volksentscheid, der das Zeug zum Spaltpilz hat: Berlin soll im Jahr 2030 klimaneutral werden. Zwar wissen nur wenige so ganz genau, was das sein soll. Aber alle sollten wissen, dass das so früh unmöglich ist. Selbst Bettina Jarasch weiß das, will nach eigenem Bekunden aber dennoch dafür stimmen. Frei nach der Sponti-Logik, wonach Druck von der Straße schon so manche auf gesellschaftlichen Ausgleich bedachte Volkspartei ins Schlingern gebracht hat. Die SPD nimmt Jaraschs Move zur Kenntnis.
Weiter so? In Berlin klingen SPD und Grüne nicht euphorisch
So sind die Aussichten. Also, wer will dennoch ein rot-grün-rotes Weiter-so? Man muss schon sehr genau hinhören. Dabei sind vor allem Äußerungen des Spitzenpersonals der Grünen und der SPD von Belang. Die Linken darf man dabei vernachlässigen, weil sie ohnehin keine andere Option haben.
Bitte schön, ein Versuch: Bettina Jarasch sagte am Donnerstag, man habe „mit großer Nachdenklichkeit“ miteinander gesprochen. Franziska Giffey wählte gleich zweimal die Formulierung der „ergebnisoffenen Sondierungen“. Ihr SPD-Co-Chef Raed Saleh erinnerte daran, dass nach der vergangenen Wahl „viele unzufrieden“ seien und sich bei Themen wie Mobilität und innere Sicherheit „was ändern müsse“. Das ist alles hinreichend unkonkret, klingt aber in keinem Fall euphorisch.
Es bleibt dabei: Kai Wegners Chancen steigen mit jedem Tag.