Kommentar: Mit dem Soli verschwinden auch die Missverständnisse
Berlin - Anlässlich der jüngsten Kabinettsentscheidung wird darüber gestritten, ob die nahezu komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlages ab 2021 finanzpolitisch verkraftbar, gesellschaftspolitisch akzeptabel und damit letztlich richtig sei. Die Antwort ist auf der symbolischen Ebene eindeutig: Sie ist ein großer Gewinn. Denn mit keinem Instrument sind so fundamentale Missverständnisse verbunden wie mit dem Soli.
Kontraproduktiv, ja bisweilen verheerend ist, dass viele Westdeutsche glauben, er werde nur von ihnen entrichtet, nicht aber von den Ostdeutschen. Das ist seit jeher falsch und führt zu dem in den alten Ländern verbreiteten Irrtum, sie würden anhaltend zur Kasse gebeten, obwohl doch in den neuen Ländern längst jede Fassade und jede Nebenstraße renoviert sei.
Der Zuschlag wird auch im Osten erhoben
Missverständnis Nummer zwei hängt mit Nummer eins zusammen. So wenig nämlich der Soli allein im Westen erhoben wird, so wenig wird er allein für den Osten verwandt. Der Solidaritätszuschlag wurde vielmehr 1991 zunächst befristet eingeführt, unter anderem um Mehrbelastungen aus dem Golfkrieg zu schultern oder Länder in Mittel- und Osteuropa zu unterstützen.
Zwar stand 1995 bei der unbefristeten Einführung die Finanzierung der deutschen Einheit im Vordergrund. Dennoch floss das Geld nie direkt oder gar ausnahmslos in den Osten, sondern in den allgemeinen Steuertopf, aus dem dann alles Mögliche beglichen wird. Der Soli hat mit den ähnlich klingenden Solidarpakten I und II zugunsten Ostdeutschlands streng genommen nichts zu tun. Das sieht man auch daran, dass der Solidarpakt II in diesem Jahr ausläuft – der Soli aber nicht.
Soli klingt gut – nach Zusammenhalt und Solidarität. Die Missverständnisse, die ihn begleiten, hatten allerdings teilweise gegenteilige, sprich: spaltende Effekte. So gesehen: Gut, dass er weg kommt!
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