Bundes-FDP nach der Berlin-Wahl: Ein Weiter-so reicht nicht mehr

Die FDP ist nach der Berlin-Wahl der größte Verlierer. Zeit für die Liberalen, sich aus der Sackgasse zu manövrieren. Ein Kommentar.

Christian Lindner, FDP-Chef und Bundesfinanzminister
Christian Lindner, FDP-Chef und BundesfinanzministerMarkus Schreiber/AP

Als FDP-Chef Christian Lindner am Tag nach der verlorenen Berlin-Wahl vor die Presse tritt, macht es den Anschein, als sei nichts Dramatisches geschehen. Lindner redete es beinahe herunter, dass seine Partei in Berlin abgeschmiert und nicht mehr im Abgeordnetenhaus vertreten ist – als sei das vorübergehender Zustand. Aber was soll er auch sagen?

Von ihm hören die Journalisten nun, dass Deutschland gut regiert wird. Dass die Ampel im Bund Krisen bewältige und das auch während der Corona-Zeit und des Krieges in der Ukraine gezeigt habe. Und dass die FDP eine klare Strategie fahre und daran festhalte. Man sehe sich als Garant einer Politik der Mitte in der Ampel. Auf Landesebene habe sich eben nur noch nicht die Erkenntnis durchgesetzt, dass die FDP für Modernisierung stehe. Mehr Erklärung gibt es nicht, Lindner selbst kann es vielleicht nicht einmal erklären.

Überhaupt ist der Umgang mit den Niederlagen innerhalb der FDP derzeit etwas konfus. Während Wolfgang Kubicki, Vizepräsident des Deutschen Bundestages, sagte, er sei richtig wütend auf das Ergebnis – und dass es so gekommen sei, liege auch an der Ampel auf Bundesebene, in der seine Partei mehr „FDP pur“ zeigen müsse, reagierte Lindner, als schalte er auf Durchzug. Mehrmals wiederholte er, die Linie sei beim Wähler eben noch nicht angekommen.

Das ist wohl wahr und liegt scheinbar auch an der Kommunikation. Denn seit mehr als einem Jahr fahren die Liberalen nur Niederlagen ein. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate fliegt die FDP – nach Niedersachsen im Herbst – aus einem Landtag. Vorher war sie in Nordrhein-Westfalen drastisch in der Wählergunst abgesunken. In Berlin lief alles erst einmal gut: Im September 2021 hatte sie bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus noch 7,1 Prozent erzielt. Doch dann kam die Nachwahl – und die ist nun für die FDP die fünfte erfolglose Landtagswahl seit Antritt der Ampelkoalition im Bund. Für die Liberalen ist der Wahlausgang in Berlin daher eine Katastrophe.

Dabei hat die FDP in Berlin diesmal vieles richtig gemacht. Sie hatte mit dem 39-jährigen Sebastian Czaja einen Spitzenkandidaten, der seit 2016 schon zwei Wahlkämpfe erfolgreich geführt hat. Czaja war es, der es damals schaffte, die Liberalen wieder ins Abgeordnetenhaus zu boxen, nachdem sie 2011 schon einmal rausgeflogen waren. Damals ging es um den Flughafen Tegel, der bleiben sollte. Das zog beim Wähler, auch wenn der Flughafen inzwischen geschlossen ist.

Auch 2021, bei der ersten Wahl, gelang es der FDP mit 7,1 Prozent wiedergewählt zu werden. Dazu gab es ein Wahlprogramm, das sich um die Hauptsorgen der Berlinerinnen und Berliner drehte: Bildung, Bürokratie und Verkehr. Und eine lässige, zugleich seriöse Kampagne, wenn auch nicht sexy, aber sie versprach einen Wechsel in einem für viele verstaubten Berlin.

Doch all das hat nichts genützt. Aus den möglichen Optionen, die sich Czaja und seine Partei bei der Nachwahl ausgemalt hatten, ist das schlimmste Szenario wahr geworden. Die Liberalen sind raus. Dabei hatten sie vor wenigen Wochen noch gehofft, gemeinsam mit der CDU und womöglich der SPD Rot-Grün-Rot abzulösen.

Nun ist das aber auch ein Berlin-Ding. Viele hatten nach der Chaos-Wahl 2021 auf einen Wechsel gehofft, auch aus Unzufriedenheit über Rot-Rot-Grün. Doch sie gaben ihre FDP-Stimmen am Wahltag der CDU oder gingen erst gar nicht zur Urne. Und am Ende ging es nur noch um die Frage, welcher Spitzenkandidat vorn liege und wer am Ende die Regierende Bürgermeisterin oder den Bürgermeister stellt: CDU, SPD oder Grüne.

Die FDP verschwand flugs in der Bedeutungslosigkeit. Ein Fehler übrigens. Denn wer den Wechsel in der Hauptstadt wirklich gewollt hat, wird sich vermutlich nun wieder auf Rot-Grün-Rot einstellen müssen. Die FDP kann nicht mehr mitregieren und die CDU, zwar stärkste Kraft nach der Wahl, könnte trotzdem keinen Partner finden. Aber das nur am Rande.

Trotzdem bleibt das FDP-Problem – und die Frage, warum sie beim Wähler so verloren hat, seitdem sie in der Ampel mitregiert. Kommt sie als Opposition in der Regierung rüber als beleidigte Ausgeschlossene im rot-grün-gelbem Konstrukt? Viele in der Partei rufen danach, dass die FDP wieder eine deutlichere Stimme gewinnen muss. Denn sonst bleibe sie in der Sackgasse stecken. Aber das bedeutet ein Umdenken. Wenn man bei so vielen Wahlen unterliegt, müsste die Führung der Partei doch nachdenklich werden und Ideen für Änderungen entwickeln. Und nicht sagen, wir halten an unserem Kurs fest. Die nächste Landtagswahl steht bald an. Im Mai wird in Bremen gewählt. Die FDP liegt dort derzeit bei 6 Prozent in den Umfragen.