Kommentar: Seehofers Männerministerium ist ein Armutszeugnis
Gehören Frauen nicht zu Deutschland? Wer Horst Seehofers Führungsmannschaft für das Ministerium des Innern, Bau und Heimat (BMI) betrachtet, gewinnt diesen Eindruck. Auf dem Bild des Ministers und seiner Staatssekretäre, welches das Ministerium am Freitag in einer Pressemitteilung veröffentlichte, sind neben Seehofer nur Männer zu sehen.
Manch einer mag beim Anblick dieses Fotos an einen verfrühten Aprilscherz denken – und es klingt fast wie Hohn: Laut Koalitionsvertrag sollen bis 2025 die Leitungspositionen im öffentlichen Dienst gleichermaßen mit Frauen und Männern besetzt werden. Zuständig dafür ist – das BMI. Also mit Horst Seehofer ein Mann, der sämtliche CSU-Ministerposten nur mit Männern besetzen wollte und dessen Partei im Bundestag mit Ausnahme der AfD den geringsten Frauenanteil hat.
Ähnlich sieht es beim CSU-Kollegen Andreas Scheuer im Verkehrsministerium aus, auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) besetzt sämtliche Staatssekretärs-Posten mit Männern. Und der Bundestag ist so männlich wie seit zehn Jahren nicht mehr. Mehr als die Hälfte der Gesellschaft ist weiblich – im Parlament sitzen aber mehr als doppelt so viele Männer wie Frauen.
Das großmütterliche "Du, Du, Du!"
Ja, der Frauenanteil im Bundestag liegt damit bei 31 Prozent, also ganz, ganz knapp über der gesetzlich vorgeschriebenen Frauenquote für Aufsichtsräte von Unternehmen. Doch das reicht nicht.
Der Politik kommt in Sachen Gleichberechtigung eine andere Verantwortung zu als privatwirtschaftlichen Unternehmen – so lange sie dieser nicht gerecht wird, wird jeder Druck auf die Privatwirtschaft anmuten wie eine Farce, ein großmütterliches "Du, Du, Du!".
Keine qualifizierten Frauen? Kein Argument.
Da feiern wir 100 Jahre Frauenwahlrecht, freuen uns über so viele Ministerinnen wie nie zuvor – und dann das. Was für ein Armutszeugnis! Außenminister Heiko Maas sagte kürzlich, es sei peinlich, wenn Unternehmen 2018 behaupteten, keine qualifizierten Frauen zu finden. Recht hat Maas, aber selbst nur eine von fünf Leitungspositionen im Außenministerium mit einer Frau besetzt.
Dass es auch anders geht, zeigt ein kurzer Blick ins Ausland. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau hat 2015 sein Kabinett gleichberechtigt besetzt. Als er nach dem Grund gefragt wurde, antwortete der Regierungschef schlicht: „Weil wir das Jahr 2015 haben.“
Im Jahr 2018 hat Deutschland einen Innenminister, dem beim Anblick seines Mannschaftsfotos nichts auffällt - oder der ganz bewusst damit provoziert. Und dessen Pressestelle auf die massive Kritik hin statt des Teams lediglich für kurze Zeit das Männer-Foto austauschte. Zu sehen war ein Gebäude-Eingang. Dahinter allerdings sitzen weiterhin – und das ist das Entscheidende – fast nur Männer.