Kommentar zu „Bearbeitungsstraßen“: Furchtbares Wort für eine gute Idee
Die einen wünschen sich eine „Willkommenskultur“ für Flüchtlinge in Deutschland. Die anderen richten „Bearbeitungsstraßen“ für ihre Aufnahme ein. Hier ein freundliches Wort für eine freundliche Haltung – dort ein bürokratisches Monstrum? Auf den ersten Blick schon. Aber ganz so einfach ist es nicht. Die Neuankömmlinge müssen von den Behörden registriert werden – damit ihnen geholfen werden kann, damit sie medizinisch versorgt werden, damit ihre Asylanträge auf den Verwaltungsweg kommen.
Die „Bearbeitungstraßen“ sind eine Folge von Containern, in denen sie verschiedene Stationen zu absolvieren haben. Die Beamten der Bundespolizei haben sich die Form ausgedacht, um den Strom der Flüchtlinge zu bewältigen – besser als bisher damit zurecht zu kommen. Damit wird zunächst einmal ein Versäumnis ausgeglichen. Lange hat es gedauert, bis die Behörden hier (und anderswo) auf die Größe des Problems reagiert haben.
Deutsches Bürokratenwort
Im Raum Passau herrschten zum Teil abenteuerlich, menschenunwürdige Zustände. Menschen mussten im Freien lagern, Behelfsunterkünfte waren nicht regendicht, die Versorgung nicht einem hoch zivilisierten Land entsprechend. Ein Zustand, wie wir wissen, der nicht nur in Bayern anzutreffen war oder ist.
Der Begriff der „Bearbeitungsstraße“ ist sicher ein typisch deutschen Bürokratenwort. Aber wenn es nun mit wiederum typisch deutscher Effektivität mit Leben erfüllt wird, ist nichts Schlechtes daran. Denn die deutsche Politik und in der Folge der deutsche Verwaltungsapparat reagieren immer noch zu träge. Es müssen mehr Kräfte eingesetzt werden für die Aufnahme der Flüchtlinge. Sie brauchen bessere Unterkünfte. Die kosten (noch mehr) Geld. Eine gehörige Portion Freundlichkeit, gepaart mit menschlicher Zuwendung, kann bei der Aufnahme obendrein auch nicht schaden. Die meisten Menschen sind ja aus blanker Not hier. Aber nicht alle.
De Maiziere besucht Deggendorf
In Deggendorf und Umgebung werden auch immer mehr kriminelle Schleuser festgenommen, die den Flüchtlingen auf dem Weg hierher das letzte Geld aus der Tasche ziehen. Auch sie durchlaufen die „Bearbeitungsstraßen“, ehe sie in bayerischen Untersuchungsgefängnissen landen.
Nun kommt also Thomas de Maiziere nach Deggendorf. Der Bundesinnenminister hat sich bisher nicht als Vertreter einer freundlichen Willkommenskultur für Flüchtlinge profiliert. Stattdessen hat er öffentlich und vermeintlich publikumswirksam darüber nachgedacht, „Bearbeitungsstraßen“ für Flüchtlinge in Nordafrika einzurichten. Hauptsache fern von Deutschland.
Wann kommt Merkel?
Das sollte abschrecken. Das war aber vor allem ineffektiv – weil es unrealistisch war. Deutschland muss das Problem mit den Flüchtlingen, die zu uns kommen, hier lösen. Auf deutschem Boden. Der Innenminister hat nun die Gelegenheit, seine Beamten zu loben, die ihre Arbeit tun. Dabei sollte er jedoch nicht vergessen, die Flüchtlinge willkommen zu heißen und ihnen alles Gute zu wünschen für ein Leben, das sie sich so ganz sicher nicht ausgesucht haben.
Ach übrigens, morgen tagt das Bundeskabinett. Angela Merkels erster Termin nach ihrem Sommerurlaub. Wir dürfen gespannt sein, wann sie sich in einer der vielen Flüchtlingsunterkünfte in ihrem Land sehen lässt.