Kommentar zu Terrorzeiten: Warum die Sehnsucht nach dem starken Mann so groß ist

Berlin - Man hört jetzt wieder häufiger von Helmut Schmidt. Seine Fernsehansprache nach dem Mord an vier Begleitern des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer und dessen Entführung im September 1977 durch RAF-Terroristen ist gerade zu einem Hit im Netz geworden. Er spricht darin von Wut und Zorn über die Terroristen und kündigt an, der Staat werde mit aller Härte und allen verfügbaren Mitteln Front gegen sie machen. Das sei nicht nur der Wille des Staates, sondern des ganzen Volkes. Das gefällt auch heute wieder vielen Menschen.

Vergleicht man das Auftreten Schmidts mit dem von Angela Merkel, sind sie in dem, was sie sagen, gar nicht so weit voneinander entfernt. Es ist die Tonlage, die Haltung, die den Unterschied macht. Das beginnt schon damit, dass Helmut Schmidt sich in einer Fernsehansprache direkt an die Bevölkerung wendet. Das ist von Angela Merkel schon oft verlangt worden angesichts der Finanzkrise, der Eurokrise, der Flüchtlingskrise. Sie hat es nie getan.

Merkel in der Berliner Blase

Man kann das als Verweigerung der direkten Ansprache des Volkes verstehen, das in unruhigen Zeiten gern eine klare Ansage von seiner Regierung hören würde. Es wäre auch ein Signal: Ich verstehe, dass ihr aufgewühlt und verunsichert seid, deshalb spreche ich mit euch. Die Kanzlerin bewegt sich immer nur in der Berliner Blase und bedient sich einer vermittelten Kommunikation durch die Medien.

Als Angela Merkel 2005 Kanzlerin wurde, empfanden viele die neue, sanftere, abwägende, oft auch unbestimmte Tonlage als sehr angenehm nach den Jahren mit Gerhard Schröder. Er war ein Mann der klaren Kante, der Debatten mit einem Basta beendete und mal eben forderte, Kinderschänder wegzuschließen –„und zwar für immer“.

Merkel ist solches Reden ein Gräuel, auch deshalb ist sie so lange so geschätzt worden. Wenn es aber stimmen sollte, dass harte Zeiten harte Männer (oder Frauen) mit entschiedenen Worten verlangen, dann wären das nun nicht mehr ihre Zeiten. Dann würde sich zeigen, dass die Prägung in Kaserne und Krieg wie bei Schmidt oder im Kampf um den sozialen Aufstieg wie bei Schröder in der Krise letztlich tauglicher wäre als die Prägung durch ein protestantisches Pfarrhaus wie bei Merkel. 

Wenn keine Taten folgen, werden die Probleme umso größer

Es mag sein, dass ein Auftreten wie das Helmut Schmidts in Krisenzeiten der verunsicherten Volksseele gut tut. Das ist nicht gering zu schätzen, denn um stabil zu bleiben, braucht ein Land auch eine psychologisch stabile Gesellschaft. Aber die Worte sind nur das eine. Wenn die Taten mit ihnen nicht Schritt halten können, werden die Probleme nur umso größer, denn dann geht es um Glaubwürdigkeit.

Der RAF-Terrorismus war zweifellos eine Herausforderung des Staates, aber es war doch auch immer klar, dass es um eine überschaubare Gruppe ideologisch verblendeter Deutscher mit einer mörderischen Selbstüberschätzung ging. Ihr Hass richtete sich in erster Linie gegen die politische und wirtschaftliche Elite in Deutschland, deren Repräsentanten sie gezielt angriff. Es ging ihnen nicht darum, allgemeine Panik im Volk zu verbreiten, dem sie sich in ihrem Wahn ja eng verbunden fühlten.

Merkel würde bei gleicher Wortwahl lügen

Das ist eine vollkommen andere Dimension als der international vernetzte, gegen unsere Lebensart gerichtete, islamistisch motivierte Terrorismus, den wir gerade erleben. Als der Kanzler während der Schleyer-Entführung selbstbewusst verkündete: „Wir besiegen die Terroristen“, konnte er also sehr sicher sein, dass dieses Ziel auch erreicht würde. Wenn Angela Merkel heute das gleiche sagen würde, wüsste jeder, dass es gelogen wäre.

Wer heute Pannen der Behörden, Kontrollverlust des Staates beklagt, was es früher nicht gegeben habe, übersieht, welche schweren Fehler der Polizei bei der Fahndung nach den Schleyer-Entführern unterlaufen sind. Wären die Ermittler Hinweisen aus den eigenen Reihen nachgegangen, hätte das Versteck gefunden und Schleyer vermutlich gerettet werden können. Da hat es auch nichts geholfen, dass Schmidt persönlich das Krisenmanagement an sich gezogen hatte.

Krisenzeiten sind immer Zeiten, in denen der Ruf nach einem starken Mann Konjunktur hat. Das erklärt auch die nostalgische Verklärung Helmut Schmidts, der bei allen klaren Worten aber doch nie einen Zweifel daran gelassen hat, dass es ihm um die Verteidigung des demokratischen Rechtstaates ging, was ja auch gelungen ist. Dass der wehrhaft sein kann, muss und will, wird man Angela Merkel nicht erklären müssen. Aber sie könnte es deutlicher sagen – an die Adresse seiner Gegner, aber auch an die der Bürger dieses Landes.