Da kommt Ivanka Trump nach Berlin, und plötzlich sind alle Feministinnen. Ist doch ein sensationelles Ergebnis für den Besuch einer reichen Amerikanerin, da sollte sie gleich noch ein bisschen weiter durch die Welt reisen. Und zwischendurch auch mal im Weißen Haus vorbeischauen bei ihrem Vater, denn da kann sie dann ja eigentlich noch nicht gewesen sein.
Eine verführerisch einfache Frage
Aber zunächst die Berliner Bilanz: die Tochter und Beraterin eines sexistischen US-Präsidenten, die Bundeskanzlerin, die niederländische Königin – alles entschlossene, entschiedene Kämpferinnen für Frauenrechte. Da kann ja nichts mehr schiefgehen. Es wird also demnächst Gesetze hageln zur gleichen Bezahlung (entschlossener als das gerade verabschiedete deutsche Alibi-Gesetz), und Männerbündeleien werden es endlich mal richtig schwer haben. Und blöde Sprüche sowieso.
Wenn es denn mal so wäre. Tatsächlich ist es so gewesen, dass auf einem Frauen-Gipfel in Berlin die so verführerisch einfache, aber eben auch etwas schlichte Frage gestellt wurde, wer sich denn als Feministin sehe. Ivanka Trumps Hand ging schnell nach oben. Angela Merkel zögerte etwas, sprach von Für und Wider und davon, dass sie den entschiedeneren Kämpferinnen den Begriff nicht klauen wolle, ließ sich aber schließlich – vom Jubel des Publikums und von einer sehr weiten Definition – überzeugen. Sie wurde eine „Na-gut-dann-ich-eben-auch-Feministin“.
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Es war ein fast ausgelassener Teil in einer Debatte über die Verbesserung von Frauenrechten, in der zuvor zum Beispiel eine Kenianerin anschaulich die Lage der Frauen in ihrem Land geschildert hatte, in der die Frage im Raum stand, wie Finanzhilfen zur Gleichberechtigung beitragen können. Komplizierte Angelegenheiten, zur Entlastung zwischendurch ein wenig Schwung in die Debatte durch Ankreuzfragen: Bist Du Feministin – ja, nein, vielleicht? Ivanka Trump erklärte ihren Vater mit dessen Hang zu aggressiven Beleidigungen und Herrenwitzen zum Kämpfer für Frauenrechte, weil er sie ebenso gefördert habe wie ihre beiden Brüder. Man kann es so sehen: Es gab wirklich etwas zu lachen.
Der Begriff hat ein wenig von seinem Schrecken verloren
Wenn es an der neuen Feministinnen-Schwemme etwas Gutes gibt, dann das: Dem Begriff wird etwas von dem Schrecken genommen, den er für manche immer noch haben mag. Nicht nur Angela Merkel fällt beim Stichwort Feministin als erstes Alice Schwarzer ein, eine große Kämpferin, aber eben auch eine verbissene (ein Wesenszug, der im Übrigen verständlich wird, wenn man sich vor Augen hält, was alles so mühsam erstritten werden musste: vom Recht auf Abtreibung bis zur Anerkennung der Tatsache, dass es auch in einer Ehe Vergewaltigung geben kann).
Wenn Ivanka Trump nun die selbst ernannte oberste Suffragette ist, ist der Feminismus endgültig aus einer alternativen Umgebung und aus der Akademiker-Ecke in die Mainstream-Welt umgezogen. Das wäre nicht schlimm, wenn er damit nicht einen anderen, einen wirklichen Schrecken gewonnen hätte.
Denn wenn ein Begriff zum Party- (oder hier zum Gipfel-)-Spaß wird, ist er beliebig geworden. Es geht dabei nicht um die Vielfalt der Feminismusdebatte, die alle möglichen Richtungen kennt, von anarchistisch über dekonstruktivistisch bis zum Ökofeminismus und unter deren Dach sich – um plakative Beispiele zu nennen – Befürworter und Gegner von Prostitution finden, Verteidigerinnen des muslimischen Kopftuchs und ebenso entschiedene Opponenten.
Der Titel „Feminismus“ als modisches Accessoire wirkt ziemlich hohl
Es gibt die Tendenz, sich den Titel „Feministin“ überzuziehen wie einen neuen Pullover. Ist gerade schick, hat man jetzt so. Kann man aber auch wieder in den Schrank legen.
Auch Mode kann im Optimalfall eine Bewusstseinsschärfung zum Ergebnis haben, aber zunächst einmal kommt das Ganze doch ziemlich hohl daher. Aus dem Titel alleine folgt noch nichts, wer ein „Rrriot-Girl“-T-Shirt trägt, kann auch eine brave Ja-Sagerin sein.
Und wer Bundeskanzlerin ist, ist nicht automatisch Kämpferin für Frauenrechte, auch wenn sie sich in einer Männerpartei durchgesetzt hat und dadurch sehr wohl zum Rollenvorbild taugt. Die zögerliche Selbsteinschätzung Merkels war da sicher richtig: für verbesserte Kinderbetreuung, Frauenquote und Equal-Pay-Gesetz hat sie sich nicht verkämpft, auch wenn sie die Ergebnisse wohl gar nicht so falsch findet. Durchgesetzt haben all das andere. Der Status als „First Daughter“ reduziert zunächst auf dieselbe Funktion als schmückendes Männerbeiwerk wie die „First Lady“ – oder auch die Bundespräsidentengattin, die fürs Repräsentieren ihren Beruf aufgibt.
Wer sich dann wirklich auch noch Feministin nennen will, sollte sich auch so verhalten. Also: Benachteiligungen benennen und bekämpfen, Chauvinismus nicht als liebenswerte Schrulle abtun, auf gleiche Bedingungen bestehen, nicht darauf warten, dass es sich schon irgendwie bessern wird. Ein Titel wird dann weniger wichtig.
Es fehlt nun noch eines: Der Tweet von Donald Trump, in dem er sich zum Feministen erklärt. Zum größten aller Zeiten selbstverständlich. Aber das ist vermutlich nur noch eine Frage der Zeit. Ivanka ist ja jetzt wieder zuhause.