Kommentar zum Wahlausgang: Besser nach Jamaika als nach Österreich

Sieht man den Wahlausgang mal als Teil der aktuellen Erschütterungen der westlichen Demokratien, erkennt man: Da rächt sich etwas, das tiefer geht als die „Flüchtlingskrise“ in Europa und die Ablehnung mexikanischer Einwanderer in den USA. 

Die These ist nicht neu, dass die Politik so lange das untere Viertel der Gesellschaft vernachlässigt hat, dass dieses sich erstens rächt und zweitens so abschreckend auf die verunsicherte Mittelschicht wirkt, dass diese jegliche Solidarität zunehmend als Gefahr für den eigenen Wohlstand sieht. Brexit-Votum und Trump-Sieg sind nicht nur ein Problem, sondern vor allem dessen Symptome. In diese Reihe fällt auch das deutsche Wahlergebnis: Der Agenda-SPD nimmt man keinen Gerechtigkeits-Wahlkampf mehr ab, von der Merkel-Union fühlt man sich vor allem  im Osten – aber nicht nur da – vergessen, die AfD dient als Ventil.

Das alles spricht zwar dagegen, dass nun ausgerechnet Union, FDP und Grüne koalieren sollen. Nichts steht ja so sehr für gerade jenen neoliberalen Kurs, der die „kleinen Leute“ von Arbeiterparteien zu Rechtspopulisten trieb. Von der Ergänzung durch eine schwarz-grüne Ökopartei ist zu befürchten, dass das Soziale auch noch hinter Klima- und Vogelschutz eingeordnet wird.

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Die anderen Optionen sind noch schlechter

Und doch: Alle anderen Optionen wären eine noch schlechtere Wahl. Neuwahlen wirken, als wolle die Politik sich gern ein anderes Volk wählen – wovon Populisten stets profitieren. Eine neue Große Koalition wäre der nächste Schritt zu Verhältnissen wie in Österreich: Konservative und Sozialdemokraten teilen sich die Macht so lange, bis die Rechte so lange die Agenda vorgibt und an Größe gewinnt, bis sie mitregiert.

Jamaika bietet dagegen zumindest die Chance, dass die Union von Liberalen und Ökos wenigstens bei den gemeinsamen Anliegen und den jeweiligen Kernthemen so angetrieben wird, dass Merkel mit dem reinen Wegverwalten nicht mehr durchkommt. Der Zwang, dabei sozialen Ausgleich und gleiche Bildungschancen ernster zu nehmen, muss dabei einerseits von der Opposition kommen – in der dann ja SPD und Linke den Ton angeben und sich zusammenraufen müssen. Andererseits ist es hoffentlich eine dauerhafte Warnung, die AfD dauernd vor der Nase zu haben. Nicht nur als Ärgernis, sondern als Symptom.