Kommentar zur Kanzlerdebatte: Horst Seehofers Stänkerei gegen Angela Merkel ist ein reines Pokerspiel
Berlin - Wer Horst Seehofer die Hand gibt, sollte hinterher besser schnell nachschauen, ob noch alle Finger dran sind. Der Altmeister der politischen Winkelzüge operiert selten ohne doppelten Boden. So muss man auch die jüngste Äußerung des bayerischen CSU-Ministerpräsidenten zur erneuten Kandidatur von CDU-Kanzlerin Angela Merkel genau lesen. „Dämlich“ sei die Debatte über die K-Frage, sagt der CSU-Chef: „Das ist alles Käse und Quatsch.“
Es gibt kaum Alternativen
Das klingt zunächst recht logisch: Angela Merkel ist seit elf Jahren im Amt. Kanzler treten in der Bundesrepublik eigentlich nie ab, sie werden höchstens nicht mehr wiedergewählt.
Trotz deutlicher Einbrüche in den Zustimmungswerten ist Merkel immer noch die populärste Politikerin der Union. Und schließlich: Wer sollten die Alternativen sein? Der 73-jährige Wolfgang Schäuble? Die gescheiterte rheinland-pfälzische Spitzenkandidatin Julia Klöckner? Der jung-dynamische Finanz-Staatssekretär Jens Spahn, den wahrscheinlich mehr Redakteure des britischen Guardian als deutsche Wähler kennen? Genau! Also läuft sehr viel auf einen neuen Anlauf von Merkel hinaus – und man könnte meinen, mit seiner Kritik an der dämlichen Personaldebatte wolle Seehofer diesen unterstützen.
Seehofer will ein Umdenken erzwingen
Doch das Gegenteil ist der Fall. „Erst muss man darüber abstimmen, was man will und dann muss man sehen, mit welchen Personen man das machen kann“, sagt der CSU-Chef. Er pokert also weiter. Erst will Seehofer die Union zu einer Kurswende in der Flüchtlingspolitik zwingen – weg von dem optimistischen „Wir schaffen das“ der Kanzlerin, hin zu klaren Signalen der Begrenzung. Dann will er sich über die Personalie verständigen. Der alte Streit zwischen den beiden Schwesterparteien bricht also wieder auf. Seehofer ist gewillt, ihn offen auszutragen. Merkel nimmt ihn so ernst, dass sie auf die Frage nach einer erneuten Kandidatur nur noch absurde Floskeln schwurbelt.
Blitzschnell hat SPD-Chef Sigmar Gabriel die Schwäche der Union erkannt und versucht, seine Partei als Stimme der pragmatischen Vernunft zwischen CDU und CSU zu verkaufen. Besonders glaubhaft ist dieses Manöver nicht. Doch es sorgt für Unruhe. Und macht es für Merkel noch unmöglicher, in der Öffentlichkeit ihren eigenen Kurs zu dementieren. Der Wahlkampf ist also auf vollen Touren auch in der großen Koalition entbrannt. Seehofer feuert die Berliner Zwistigkeiten von der bayerischen Außenlinie genüsslich an.
Ob er am Ende sogar selbst nach der Spitzenkandidatur greifen will? Ausschließen sollte man bei diesem Meister des politischen Salto mortale grundsätzlich nichts.