Kommentar zur Krim-Krise: Keine Wahl auf der Krim
Wladimir Putin bringt in der Krim-Krise immer wieder das „Vorbild Kosovo“ ins Gespräch. Sein Außenminister Sergej Lawrow erinnerte kürzlich zur Abwechslung an die britische Rückeroberung der Falkland-Inseln im Jahr 1982. Es fehlt nach dem gestrigen Krim-Referendum nur noch der Vergleich mit der Volksbefragung im Saarland 1955, die den Beitritt zur Bundesrepublik besiegelte.
Verzweifelt versuchen die Machthaber im Kreml, ein vom Westen geprägtes Raster zu finden, in das die geplante Annexion der Krim passen könnte. Dabei sind die Vergleiche abwegig. Weder tobt am Schwarzen Meer ein Bürgerkrieg wie im ehemaligen Jugoslawien, noch hat die Ukraine die Halbinsel besetzt wie weiland die Argentinier die Falklands. Es werden auf der Krim zudem weder Russen bedroht (von wem auch?) noch die berechtigten militärischen Interessen des großen Nachbarlandes infrage gestellt.
Doch damit nicht genug. Das Referendum von Sonntag war auch keine demokratische Volksabstimmung wie einst im Saarland, sondern eine Farce. Die Bürger der Krim hatten nicht einmal eine Wahl! Sie konnten nur Ja zur russischen Annexion sagen. Ankreuzen konnten sie, verkürzt formuliert: „Ja, sofort“ oder „Ja, aber über Umwege“. Der moskautreue Putsch-Premier Sergej Aksjonow sagte nicht von ungefähr schon am Morgen des Referendums: „Alles läuft so, wie das Volk es will. Die Krim wird ein Teil Russlands sein.“ Was für eine Verhöhnung der Bürger und ihrer Rechte! Ohnehin ist die Abstimmung nicht fair verlaufen. Es gab keine mediale Debatte. Stattdessen ließ Putin die Krim mit Propagandaplakaten im alten Sowjetstil zupflastern. Den Rest erledigten beim Auszählen die Wahlkommissionen, die kein Unabhängiger kontrollierte.
Es geht nicht darum, das westliche Vorgehen im Kosovo, auf den Falkland-Inseln oder im Saarland zu rechtfertigen. Vielmehr muss benannt werden, was Putin, seine Paramilitärs und die politischen Marionetten derzeit auf der Krim veranstalten. Sie rauben der Ukraine einen wichtigen Teil ihres Staatsgebietes.
Es sind vor allem die Reichen und Mächtigen in Politik und Wirtschaft, die das Elend in Russland und im postsowjetischen Raum zu verantworten haben. Stellvertretend sei der Name des Putin-Vertrauten Igor Setschin genannt. Der frühere Vizechef der Präsidialadministration führt heute den Erdölriesen Rosneft. Er gilt als einer der wichtigsten Strippenzieher im Gewirr der Kreml-Seilschaften. Nebenbei hat er Dollar-Millionen gescheffelt und sie zumindest zum Teil im Westen geparkt.
An Männer wie Setschin muss der Westen heran, wenn er das Putin-Regime im Kern treffen will. Es plündert übrigens, wie einst die korrupte Clique des ukrainischen Ex-Präsidenten Janukowitsch, vor allem das eigene Volk aus. Die Bilder von Janukowitschs goldenen Wasserhähnen sind noch nicht vergessen. Derweil werden die Lebensbedingungen in der Ukraine Tag für Tag schlechter. Das Land fällt in ein Chaos zurück, das es nach dem Zerfall der Sowjetunion gab – mit verheerenden Folgen.
Schon einmal, nach der Orangenen Revolution 2004, ist es dem Lager von Julia Timoschenko nicht gelungen, Ordnung herzustellen, die Korruption zu bekämpfen, den Lebensstandard zu heben und das Volk so mit der Demokratie zu versöhnen. Es folgt nun der vermutlich letzte Versuch.