Neuer Bericht über Korruption: So käuflich sind Politiker und Verwaltung
Transparency International hat das Ranking der korruptesten Länder vorgelegt und verlangt von Deutschland mehr Engagement bei der Bekämpfung von Bestechlichkeit.

Nicht nur die Digitalisierung und die Modernisierung des öffentlichen Sektors verlaufen in Deutschland eher schleppend. Das Land tritt auch bei der Korruptionsbekämpfung auf der Stelle. Das ist zumindest der Befund von Transparency International (TI). Die gemeinnützige Organisation hat jetzt den Korruptionswahrnehmungsindex 2022 vorgelegt.
Der jährlich erscheinende Bericht umfasst 180 Staaten und Gebiete und bewertet die in Politik und Verwaltung wahrgenommene Korruption. Das heißt, der Bericht beruht auf Einschätzungen von Expertinnen und Experten des jeweiligen Landes und seiner Führungskräfte. Es handelt sich dabei um Umfragen bei Experten und Geschäftsleuten, um Daten der Weltbank, des Weltwirtschaftsforums sowie privater Beratungsfirmen und Thinktanks.
Mit einer Spanne von 0 (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 Punkten (keine wahrgenommene Korruption) wird ein Ranking erstellt, an dessen Spitze sich in diesem wie im vergangenen Jahr Dänemark mit 90 Punkten befindet. Auf den Plätzen dahinter liegen ebenfalls wieder Finnland, Norwegen und die Schweiz.
Auch die letzten Plätze teilen sich die üblichen Verdächtigen: Somalia ist mit 14 Punkten Schlusslicht, davor stehen mit jeweils 13 Punkten Syrien und der Südsudan. Jemen, Libyen, Nordkorea und Haiti befinden sich ebenfalls am Schluss der Liste. Und auch die Ukraine liegt mit 33 Punkten deutlich im unteren Drittel des Rankings. Man erkenne aber an, dass sich in der Ukraine eine lebendige Zivilgesellschaft um Verbesserungen bemühe und die entsprechenden Institutionen zur Bekämpfung von Bestechlichkeit auch im Krieg funktionierten, sagte die Vorsitzende von Transparency Deutschland, Alexandra Herzog, bei der Vorstellung des Berichtes am Montag. Weltweit gibt es keinen Anlass zu großem Optimismus: „Ein Großteil der Länder stagniert bei den Bemühungen, die Korruption weiter zu bekämpfen“, sagte sie. Das gelte auch für andere europäische Länder wie Frankreich und die Schweiz.
Deutschland hat zwar einen Platz gutgemacht und steht insgesamt auf Platz neun. Allerdings haben Politik und öffentliche Verwaltung einen Punkt verloren. 79 von 100 Punkten, das sei der niedrigste Wert für Deutschland seit 2014, sagte die stellvertretende Vorsitzende von Transparency Deutschland, Margarete Bause. „Das heißt im Klartext, wir kommen hier bei der Korruptionsbekämpfung nicht voran.“ Mit dem Lobbygesetz und der Umsetzung der EU-Richtlinie für Whistleblower seien Reformen zwar vorangekommen, doch gebe es noch immer viel zu tun. „Überfällig ist eine Verschärfung des Gesetzes zur Abgeordnetenbestechung“, sagte Bause.
Bestes Beispiel dafür sind laut TI die Maskendeals einiger Unionsabgeordneter. Der frühere CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüsslein etwa hatte für die Vermittlung von Maskenkäufen einen sechsstelligen Betrag als Provision kassiert. Das anrüchige Geschäft fällt aber nicht unter das Verbot der Bestechung von Mandatsträgern, urteilte der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr. Nüsslein, der mittlerweile aus der CSU ausgetreten ist, darf das Geld behalten – ebenso wie andere frühere Abgeordnete, die bei Maskendeals abkassiert hatten.
Bause forderte am Montag, dass diese Gesetzeslücke umgehend geschlossen werden müsse. Die Ampelkoalition hat das bereits angekündigt. Ein entsprechender Entwurf soll demnächst vorgestellt werden. „Zu langsam und zu wenig ambitioniert“, urteilte Margarete Bause dennoch. „Wir vermissen eine ganzheitliche Strategie.“ So solle die Korruptionsbekämpfung ein Teil der Nationalen Sicherheitsstrategie werden, über die die Bundesregierung gerade diskutiert.
Eine weitere Konsequenz der skandalösen Maskendeals von Politikern ist, dass Bundestagsabgeordnete ihre Nebeneinkünfte nun sehr viel genauer angeben müssen. Allerdings ist dies nun derart bürokratisch geworden, dass auch fast anderthalb Jahre nach der letzten Bundestagswahl noch immer nur ein kleiner Teil von Abgeordneten seine Nebeneinkünfte auf der Abgeordnetenwebsite wie erforderlich angibt. Der Rest steckt noch in den Mühlen der Bundestagsverwaltung fest. Transparency Deutschland forderte am Montag erneut, einen externen Lobbybeauftragten für den Bundestag einzusetzen. Dieser würde einer schnelleren Abwicklung der Verfahren mehr Nachdruck verleihen.
Vor dem Hintergrund des Korruptionsskandals im Europaparlament warnt Transparency International vor allem vor den Gefahren der sogenannten strategischen Korruption. Diese sieht unter anderem so aus, dass Länder wie jüngst Katar und Marokko Abgeordnete schmieren, damit diese eine freundliche Einschätzung über die jeweiligen Länder weitertragen, so Herzog: „Autokratische Staaten sehen dies als Teil ihrer Außenpolitik.“