Kosovo: Sorge um Eskalation an Grenze mit Serbien

Im Kosovo soll es Spannungen an der Grenze mit Serbien geben. Serben sollen Übergänge blockieren. Die KFOR ist bereit zu intervenieren.

Die Brücke zwischen dem von Serben dominierten Nordteil von Mitrovica und dem von Albanern dominierten Südteil gilt als Symbol für den brüchigen Frieden im Kosovo.
Die Brücke zwischen dem von Serben dominierten Nordteil von Mitrovica und dem von Albanern dominierten Südteil gilt als Symbol für den brüchigen Frieden im Kosovo.Imago/Robert Harding

Einst herrschte ein blutiger Krieg im Kosovo. Der Konflikt wurde befriedet, doch nie ganz gelöst. Nun steigt die Sorge, dass die Spannungen im Norden des Kosovo an der Grenze mit Serbien eskalieren. Wie die kosovarische Zeitung Koha Ditore berichtet, werden die Grenzübergänge zwischen Serbien und dem Kosovo derzeit durch serbische Aktivisten mit Lastwagen blockiert.

Laut der Nachrichtenseite habe die Kosovo-Polizei, die Polizeieinheiten der Republik Kosovo, die Übergänge Brënjak und Jarinje daraufhin geschlossen. Unbekannte hätten außerdem Schüsse in Richtung kosovarischer Polizisten abgegeben, verletzt worden sei dabei niemand, teilte die Polizei in Pristina am späten Sonntagabend mit. Kosovarische Bürger wurden dazu aufgerufen vorübergehend auf andere Grenzübergänge auszuweichen. Unabhängig überprüfen lassen sich die Berichte darüber bisher nicht.

Ab dem Nachmittag waren laut Angaben kosovarischer Medien im Nordteil der Stadt Mitrovica Luftschutzsirenen zu hören. Mitrovica liegt im Kosovo. Der Norden der Stadt wird jedoch größtenteils von ethnischen Serben bewohnt, während im Südteil der Stadt vor allem Kosovo-Albaner leben.

KFOR bereit zu intervenieren

Am späten Sonntagabend veröffentlichte die Militärmission KFOR ein Statement. Darin heißt es, dass die Lage in den nördlichen Regionen des Kosovo angespannt sei. Die KFOR sei jedoch bereit einzugreifen, „falls die Stabilität in der Region auf dem Spiel stehe“. Man beobachte die Situation genau und halte engen Kontakt mit den zuständigen Behörden im Kosovo und in Serbien. Insgesamt dienen rund 4.000 Soldaten aus 28 Ländern im Kosovo, darunter rund 70 Bundeswehr-Soldaten im Kosovo im Rahmen der KFOR.

Streit um neue Regularien für Serben im Kosovo könnte eskalieren

Der jetzige Streit dreht sich um neue Regularien, die die kosovarische Regierung in Pristina den Serben im Kosovo unterlegen will. Ab dem 1. August sollten die Serben ihre von Belgrad ausgestellten Identifikationsdokumente gegen solche des Kosovo tauschen. Bisher nutzen sie von serbischen Behörden ausgestellte Dokumente. Das Vorhaben wurde nun vorerst auf dem 1. September verschoben. Pristina will aber dennoch die serbischen Dokumente nicht mehr anerkennen, auch weil Serbien von Kosovaren das gleiche verlangt. Zudem sollen die Kosovo-Serben in Zukunft Kfz-Kennzeichen des Kosovo nutzen und damit in den Kosovo einfahren. Auch Belgrad verlangt serbische Kennzeichen von kosovarischen Bürgern. Bisher nutzen die Serben weiterhin serbische Kennzeichen, die von den lokalen Behörden im Norden des Kosovo ausgestellt werden.

Die ethnischen Serben im Norden des Kosovo erkennen die Regierung der noch jungen Republik nicht an. Für die serbische Minderheit im Kosovo zählt der Landstrich weiter zu Serbien. Kosovo hatte sich 2008 unabhängig von Serbien erklärt. Belgrad erkennt die Unabhängigkeit des Kosovo, wie auch Russland, China und andere Verbündete Belgrads, nicht an. Deutschland, die USA und die meisten westlichen Nationen sehen den Kosovo jedoch als unabhängig.

Serbischer Präsident und Ministerpräsident des Kosovo rufen zu Ruhe auf

Sowohl der serbische Präsident Aleksandar Vučić, wie auch der Ministerpräsident des Kosovo, Albin Kurti, riefen die Bürger beider Länder zur Ruhe auf. Kurti sagte in seiner Ansprache, dass die Stunden und Tage, die vor den Kosovaren lägen eine „Herausforderung“ bedeuteten. Er wandte sich gegen „serbischen Chauvinismus“. Serbiens Präsident Vučić sagte, dass sich Serbien „noch nie in einer komplexeren und schwierigeren Situation befunden hat als heute“. Er forderte Frieden, sagte aber auch, dass Serbien bereit sei, falls es zu einem Konflikt kommen würde.

Zuvor hatte bereits das serbische Verteidigungsministerium Berichten widersprochen, dass man mit Truppen in den Kosovo eingerückt sei. „Serbien hat die Verwaltungslinie nicht überschritten und ist in keiner Weise in das Hoheitsgebiet von Kosovo und Metohija eingedrungen“, so eine Meldung auf der Webseite des Ministeriums. Belgrad beschuldigt Politiker und Medien im Kosovo die Spannungen anzuheizen.

Abgeordneter von serbischer Rergierungspartei will Balkan „entnazifizieren“

Schon am Nachmittag hatte sich der serbische Parlamentsabgeordnete Vladimir Đukanović in einem Tweet zu Wort gemeldet. „Alles deutet darauf hin, dass Serbien gezwungen sein wird, die Entnazifizierung des Balkan zu beginnen. Ich hoffe, ich liege falsch.“ Der Tweet in Verbindung mit den Spannungen an der Grenze zum Kosovo weckt Befürchtungen, dass Serbien die Aufmerksamkeit Europas für den russischen Angriffskrieg in der Ukraine nutzen könnte, um in dessen Schatten, die Rückeroberung des Kosovo voranzutreiben.

Im Angesicht des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine werden in Europa Befürchtungen wach, dass der Krieg im Kosovo wieder offen ausbrechen könnte. Im Jahre 1999 hatte die NATO Serbien bombardiert, um das Regime des serbischen Diktators Slobodan Milošević dazu zu zwingen, die Kämpfe im Kosovo einzustellen. Anschließend rückte eine UN-geführte Friedenstruppe in den Kosovo ein, an der sich auch die Bundeswehr beteiligte. Die sogenannte KFOR versuchte den Frieden zwischen den Kosovoalbanern und den Serben im Kosovo zu wahren. Immer wieder kam es jedoch zu gewalttätigen Zusammenstößen. Der heutige serbische Präsident Aleksandar Vučić war 1999 Informationsminister in der Regierung Milošević.