Küche, Kind, Karriere: Zu gleichen Teilen, bitte sehr

Eine Allensbach-Studie sieht erstmals eine Bevölkerungsmehrheit für eine geschlechtergerechte Aufgabenverteilung.

Familie und Job zu vereinbaren, geht oft nur im Dauerlauf.
Familie und Job zu vereinbaren, geht oft nur im Dauerlauf.imago/Panthermedia

Wie man Kind und Karriere unter einen Hut kriegt, schien lange Zeit nur ein Problem für Mütter oder junge Frauen zu sein. Jetzt hat sich aber doch etwas sehr grundsätzlich geändert in Deutschland. Zum ersten Mal stellt auch eine Bevölkerungsmehrheit die traditionelle Aufgaben- und Rollenverteilung von Männern und Frauen in Bezug auf Haushalt, Kinder und Beruf infrage. Das geht aus einer aktuellen Allensbach-Studie hervor, die der Berliner Zeitung exklusiv vorliegt. Partnerschaftlich heißt egalitär, also die Aufteilung der Aufgaben zu gleichen Teilen.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sieht die Ergebnisse der repräsentativen Umfrage als Bestätigung und Rückenwind für ihre Politik. „Die Gesellschaft ist viel weiter als die Gesetzeslage“, sagte sie im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Das ist ihre Bilanz der ersten Wochen nach ihrem Amtsantritt im April bei einer ganzen Reihe von politischen Feldern. Die Gesellschaft habe sich weiterentwickelt, aber die Politik verweigerte sich in den letzten Legislaturperioden diesen Umbrüchen. Paus sieht rechtliche Grundlagen in der Familienpolitik zum Beispiel beim Personenstand und der Verantwortung für Kinder als überholt an.

Am Beispiel Vereinbarkeit kann sie das jetzt mit der Allensbach-Studie belegen. Viel mehr Paare als früher wünschen sich plötzlich eine egalitäre Aufgabenteilung, geht daraus hervor. „Da hat sich in den letzten zehn Jahren stark etwas getan. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung versteht unter Partnerschaftlichkeit heute, dass sich beide Eltern die Aufgaben bei der Sorge für Kinder, Haushalt und im Beruf gleichgewichtig aufteilen. Das war 2014 noch ganz anders. Das ist ein deutlicher Sprung“, sagte Paus im Interview.

Die Ergebnisse der Allensbach-Studie sind noch recht frisch. Befragt wurden Menschen ab 16 Jahren im Dezember 2021 und im Januar 2022. „In den zurückliegenden Jahrzehnten wurden Familien in mancher Hinsicht vielfältiger“, heißt es in einer Vorbemerkung zur Studie. Zugleich hätten sich die Rollenmuster von Müttern und Vätern in den Familien aufeinander zubewegt und aneinander angeglichen. Während viele Väter größere Anteile an der Betreuung der Kinder und der Familienarbeit übernahmen, wuchs zugleich die Erwerbsbeteiligung der Mütter. Hinter dieser Entwicklung stünden häufig Wünsche nach einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung. Nur was die Menschen unter partnerschaftlich verstehen, wurde selten hinterfragt.

Allernsbach-Studie: 52 Prozent der Bevölkerung verstehen unter Partnerschaft zu gleichen Teilen

Eine erste solche Ermittlung führte das Allensbach-Institut 2014 durch. Im Vergleich zur neuesten Befragung zeigt sich auf diese Weise: Die Einschätzungen haben sich sprunghaft verändert. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung stellt sich eine partnerschaftliche Aufteilung von Berufs- und Familienarbeit nun als egalitäre Teilung von Aufgaben vor. Bei einer Frage ohne Antwortvorgaben beschreiben 52 Prozent der Bevölkerung eine „partnerschaftliche Aufteilung von Berufs- und Familienarbeit“ als gleichgewichtige Aufteilung. Lediglich 13 Prozent denken bei diesem Begriff an eine Aufgabenteilung mit unterschiedlichen Zuständigkeiten. 2014 waren für die Aufteilung zu gleichen Teilen 40 Prozent.

Die Wirklichkeit sieht allerdings noch anders aus, wie auch eine Serie in der Berliner Zeitung zuletzt gezeigt hat. Wenig überraschend ist es daher, dass besonders häufig Mütter beim Stichwort der partnerschaftlichen Aufgabenteilung von Berufs- und Familienarbeit an eine egalitäre Aufteilung denken. Denn tatsächlich werden Erziehungs- und Familienarbeit ja noch immer überwiegend von den Müttern übernommen.

Offenbar hängen die Vorstellungen aber trotzdem eng mit den tatsächlich praktizierten Erwerbskonstellationen der Befragten zusammen: Mütter und Väter aus Haushalten mit nur einem berufstätigen Elternteil denken bei einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung deutlich weniger häufig an eine gleichgewichtige Aufteilung der Berufsarbeit als andere.

Am stärksten verändert haben sich die Einstellungen bei Eltern mit minderjährigen Kindern. Von ihnen hatten 2014 noch 55 Prozent die ungleiche Aufteilung als partnerschaftlich eingestuft und nur 29 Prozent die gleichgewichtige Aufteilung. Jetzt ordnen nur noch 41 Prozent die ungleiche Aufteilung als partnerschaftlich ein. 44 Prozent denken beim Stichwort Partnerschaftlichkeit eher an eine gleiche Aufteilung. Und bei Müttern entwickeln sich die Vorstellungen schneller als bei Vätern. In allen Teilgruppen wird die Entwicklung zu mehr Partnerschaftlichkeit von Mehrheiten begrüßt. Am stärksten in Ostdeutschland.

Familienministerin Paus interpretiert die Studienergebnisse auch als Arbeitsauftrag für ihr eigenes Haus. Sie will Gesetze ändern. Am Donnerstag stellte sie gemeinsam mit Justizminister Marco Buschmann Pläne für ein Selbstbestimmungsgesetz vor. Damit soll es einfacher werden, den Eintrag zur Geschlechtszugehörigkeit und den Vornamen im Personenstandsregister zu ändern. Das Transsexuellengesetz soll abgeschafft werden. Die Minister bezeichneten den derzeitigen Zustand, bei dem Betroffene sich medizinisch begutachten lassen müssen, als entwürdigend. Künftig reicht eine Willenserklärung beim Standesamt. Bei Jugendlichen müssten die Eltern zustimmen.