Nur wenige Fälle von Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden

Die Verdachtsfälle in den Sicherheitsbehörden liegen bei unter einem Prozent. Horst Seehofer bestreitet „strukturelle Probleme“.

Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (v.l.), Bundesinnenminister Horst Seehofer, der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann und der Präsident des Bundeskriminalamts Holger Münch haben den Lagebericht am Dienstag vorgestellt. Dazwischen sitzt die Leiterin der Bundespressekonferenz.
Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (v.l.), Bundesinnenminister Horst Seehofer, der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann und der Präsident des Bundeskriminalamts Holger Münch haben den Lagebericht am Dienstag vorgestellt. Dazwischen sitzt die Leiterin der Bundespressekonferenz.Imago/Jens Schicke

Berlin. Rechtsextreme Umtriebe sind in deutschen Sicherheitsbehörden ein Randphänomen. Das legt der am Dienstag von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und den Vertretern der Sicherheitsbehörden vorgestellte Lagebericht nahe.

„Dieser Bericht zeigt, dass über 99 Prozent der Mitarbeiter fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“, sagte Seehofer. „Das bedeutet auch, dass wir kein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus in den Behörden haben.“ Dennoch sei jeder erwiesene Fall „eine Schande“, da es alle Beschäftigten in Mitleidenschaft ziehe.

Zwischen Januar 2017 und März 2020 hat es laut Bericht in den Sicherheitsbehörden der Länder 319 Verdachtsfälle bei rund 275.600 Mitarbeitern gegeben. Dabei wurden 303 Verfahren eingeleitet, wobei mehr als jedes fünfte eingestellt wurde. 68 Prozent der Verfahren wurden wegen „sonstigen rechtsextremistischen Handlungen“ geführt, worunter vor allem Chatnachrichten mit verfassungsfeindlichen Symbolen fallen. Die rechten Chatgruppen, die kürzlich bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen und Berlin ans Licht kamen, sind in dem Bericht allerdings noch nicht enthalten. Berlin verzeichnet mit 53 Verdachtsfällen die zweitmeisten Fälle der Länder. 

Auf Bundesebene liegen die Zahlen weitaus niedriger. So wurden bei knapp 109.000 Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden innerhalb der 3,3 Jahre 58 Verdachtsfälle bekannt, wovon 44 auf die Bundespolizei entfallen. Der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann, sagte zu den Fallzahlen im Kommastellenbereich: „Ich kann keine rechtsextremistischen Netzwerke erkennen.“ Auch der Vorwurf des „latenten Rassismusproblems“ sei falsch. Diesen Vorwurf hatte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken der Polizei gemacht.

„Wir werden diese Fälle nicht isoliert betrachten“, sagte Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. Die Hintergründe der Taten sollen in einer gesonderten Studie ausgewertet werden. Der Lagebericht wird in den kommenden Jahren fortgeschrieben. 

Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, kritisiert, dass die Zahlen lediglich auf Disziplinar- und Ermittlungsverfahren basierten. „Um das mutmaßlich große Dunkelfeld von Rechtsextremismus in der Polizei aufzuhellen, ist eine bundesweite Studie nötig, die auch nach Einstellungsmustern fragt“, meinte Jelpke. Dieser Forderung schließt sich der FDP-Sprecher für Inneres Konstantin Kuhle an. Außerdem plädiert er für bessere Prüfungen von Anfang an. „Schlussendlich sollte die Innenministerkonferenz neue Standards für die Überprüfung von Bewerbern vereinbaren, um bereits bei der Anwerbung des Nachwuchses rechtsextreme Gesinnung besser zu erkennen.“