Berlin-Wahl: CDU ist nach mehr als zwei Jahrzehnten wieder stärkste Partei

Die SPD verliert deutlich, Grüne und Linke können ihre Position halten. Die rot-grün-rote Koalition behält eine Mehrheit, doch diese ist knapp.

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner 
CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner Fabian Sommer/dpa

Bei der Wahl in Berlin ist die CDU erstmals seit mehr als zwei Jahrzehnten wieder stärkste Kraft geworden. Nach ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF vom Sonntag liegen die Christdemokraten mit Spitzenkandidat Kai Wegner deutlich vorn. Die SPD von Regierungschefin Franziska Giffey stürzt auf ein historisches Tief ab und liefert sich ein enges Rennen mit den Grünen um Platz zwei. Die AfD legt zu und ist sicher wieder im Abgeordnetenhaus vertreten, die FDP scheidet demnach knapp aus.

Wegen schwerwiegender Wahlpannen hatte das Landesverfassungsgericht die Wahl des Landesparlaments vom September 2021 und die Bezirkswahlen für ungültig erklärt – und eine Wiederholung angeordnet. Damals hatten lange Warteschlangen vor Wahllokalen sowie fehlende, vertauschte oder kopierte Stimmzettel bundesweit Schlagzeilen gemacht.

Wahlberechtigt zur Abgeordnetenhauswahl waren etwa 2,4 Millionen Menschen. Die Wahlbeteiligung lag laut den Prognosen bei 63,5 bis 65,0 Prozent. 2021 waren es 75,4 Prozent, doch wurde in dem Jahr gleichzeitig auch der Bundestag gewählt.

Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler hat ein positives Fazit zum Verlauf der Abgeordnetenhauswahl gezogen. „Ich bin sehr erleichtert an diesem Abend. Wir haben viele der schweren Organisationsfehler bei dieser Wahl beheben können“, sagte Bröchler im RBB-Fernsehen mit Blick auf die Pannen bei der Wahl im September 2021, die am Sonntag wiederholt wurde.

„Es freut mich sehr, dass sich diesmal alles im grünen Bereich bewegt hat“, sagte Bröchler. Der gute Verlauf der Wahl sei auch von den internationalen Wahlbeobachtern bestätigt worden. „Sie haben uns sehr gelobt dafür, dass die Organisation so gut funktioniert hat.“ Es habe nur kleinere Pannen gegeben: In einem Fall habe der Schlüssel für eine Wahlurne gefehlt, in einem anderen Fall habe ein Wahlvorstand verschlafen. Dieser sei von der Polizei geweckt und von seiner Stellvertreterin vertreten worden.

Am Abend sprach CDU-Spitzenkandidat Wegner von einem „phänomenalen“ Erfolg und sagte: „Unser Auftrag ist es, eine stabile Regierung zu bilden.“ Berlin habe den Wechsel gewählt. Er kündigte an, SPD und Grüne zu Sondierungen einzuladen. Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz schrieb auf Twitter: „Der klare Regierungsauftrag für die CDU ist der erste Schritt hin zu unserem Ziel, dass die Bundeshauptstadt besser funktioniert.“

Ein klarer Regierungsauftrag? So einfach liegen die Dinge nicht – im Gegenteil. Die Berliner SPD jedenfalls stellte sich auf einen langen Abend ein. Zweiter Platz bedeutet Sieg, lautete dort die Parole. Nur wenn die SPD beim Wahlergebnis vor den Grünen landet, kann Franziska Giffey weiterhin versuchen, dass rot-grün-rote Bündnis in der bisherigen Konstellation zusammenzuhalten.

Die Spitzenkandidaten von CDU und SPD, Kai Wegner und Franziska Giffey
Die Spitzenkandidaten von CDU und SPD, Kai Wegner und Franziska GiffeySebastian Christoph Gollnow/dpa

Ihre Devise war daher klar: „Nur, wer eine stabile Mehrheit zusammenbekommt, kann eine Regierung bilden“, sagte sie in jedes Mikrofon. In der Tat hat Rot-Grün-Rot nach den bisherigen Hochrechnungen mehr Sitze im Abgeordnetenhaus als die anderen möglichen Koalitionen aus CDU und SPD oder CDU und Grünen. Giffey räumte aber auch ein, dass das Wahlergebnis klarmache, „dass die Berlinerinnen und Berliner wünschen, dass sich etwas ändert.“

Die Regierende Bürgermeisterin stellte sich am Abend zunächst den SPD-Mitgliedern, die im Festsaal Kreuzberg feierten, und fuhr danach ins Abgeordnetenhaus zu Interviews mit den Fernsehsendern. Später am Abend wurde sie in Kreuzberg zurückerwartet. Dort blieben vielen Anhängerinnen und Anhänger, um gemeinsam auf die neuesten Hochrechnungen zu warten.

Bei der CDU, die den Festsaal des Abgeordnetenhauses gemietet hatte, dagegen herrschte riesige Freude. Und diese wollte sich niemand nehmen lassen, wenn auch die Mehrheitsverhältnisse im Parlament an diesem Abend diffus blieben. Generalsekretär Stefan Evers sagte im Gespräch mit der Berliner Zeitung, die Partei wolle und müsse jetzt das in sie gesetzte Vertrauen rechtfertigen und „diese zutiefst gespaltene Stadt mit ihren vielen Widersprüchen“ zusammenbringen.   

Mit wem das aus Sicht der Wahlsieger am ehesten möglich sein könnte, musste an diesem Abend offen bleiben. Das Wesentliche sei es ohnehin, „die Funktionsfähigkeit und Stabilität wieder herzustellen“, so Evers.

Bereits am Montag sollen die ersten Schritte in die Richtung erfolgen. Zunächst tage das CDU-Präsidium, anschließend wolle man „alle anderen demokratischen Parteien“ zu Gesprächen einladen. Die Arbeit, so scheint es, hat gerade erst begonnen.