Die Niederlage im Bundestag war deutlich. Nicht mal ansatzweise gab es eine Mehrheit für eine wie auch immer gestaltete Impfpflicht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) akzeptierte das Votum. Einen weiteren Anlauf werde es nicht geben, sagt er am Abend der Niederlage. Und kassierte damit die Aussage seines Gesundheitsministers Karl Lauterbach, der genau dieses Ziel formuliert hatte. Doch am Freitag legte Lauterbach nach.
Im Herbst werden wieder strengere Corona-Eindämmungsmaßnahmen nötig, kündigte er an. „Das, was wir an Lockerungen machen konnten, haben wir verbraucht“, sagte Lauterbach am Freitag und schloss einen weiteren Abbau von Schutzmaßnahmen im Frühling aus. Er warnte: Mit den aktuellen Eindämmungsmaßnahmen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes werde das Land angesichts der gescheiterten Impfpflicht „im Herbst mit Sicherheit nicht über die Runden kommen“. Es werde beispielsweise „mit großer Wahrscheinlichkeit“ nicht ohne die Wiedereinführung einer Maskenpflicht in vielen Bereichen gehen. Deshalb müsse das Gesetz noch einmal geändert werden.
ARD-„Deutschlandtrend“: Nur 37 Prozent gegen Impfpflicht
Interessant ist, dass es im Volk andere Mehrheiten gibt als unter den Volksvertretern im Bundestag. Viele Menschen sehen es kritisch, dass viele Maßnahmen zur Corona-Eindämmung im Frühjahr auslaufen, wie das neue ZDF-„Politbarometer“ zeigt: 62 Prozent der Umfrageteilnehmenden halten den Wegfall nicht für richtig, lediglich 35 Prozent begrüßen ihn. 81 Prozent geben an, in Innenräumen weiterhin Maske tragen zu wollen – selbst wenn das nicht mehr vorgeschrieben ist.
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Auch im ARD-„Deutschlandtrend“ von Donnerstagabend bewertete eine Mehrheit das Auslaufen der Maßnahmen als falsch. Hier gaben außerdem 46 Prozent an, eine allgemeine Corona-Impfpflicht ab 18 zu unterstützen, 13 Prozent wollten eine Pflicht erst ab 50 Jahren, 37 Prozent lehnten jegliche Impfpflicht ab.
Lauterbach bekräftigte nun, dass er weiter Gespräche im Bundestag zum Thema Impfpflicht führen wolle, trotz der Einschätzung des Kanzlers. Er sei zu den Erfolgsaussichten aber „sehr skeptisch“, räumte Lauterbach ein. Er sagte, er wolle nun „noch einmal an eine kreative Kampagne für die Impfung“ herangehen. „Wenn wir das kreativ und gut machen“, könne die Impfquote bis zum Herbst noch erhöht werden.
Auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, rief erneut dazu auf, sich impfen zu lassen. Die Impfung reduziere das Risiko für einen schweren oder gar tödlichen Verlauf und auch das Risiko für Langzeitfolgen, sagte er bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Lauterbach. Außerdem riet Wieler dazu, in Innenräumen weiter Maske zu tragen.