Leitartikel Syrien und den Linken: Damals wie heute

Ein Irrtum: Geschichte wiederholt sich nicht. Sie wiederholt sich gern, nur wechselt sie gelegentlich die Handlungsorte. Am 17. Juni 1953 brach in Ost-Berlin ein Volksaufstand gegen die kommunistische Staatsführung los. Er wurde – dank sowjetischer Panzer – im Blut einiger Dutzend Demonstranten ertränkt, und den überlebenden wie den toten Arbeitern wurde von der SED bescheinigt, ausländische Provokateure, Agenten eines vom Westen gelenkten Putschversuchs gewesen zu sein. In der sozialistischen Republik Syrien tobt seit fast einem Jahr ein Volksaufstand gegen den Diktator Baschar al-Assad, dessen Militär , unterstützt durch Waffenlieferungen aus Russland und Iran, seitdem mehr als 5000 Menschen ermordet hat. Assad sieht vor allem ausländische Provokateure am Werk, Agenten eines vom Westen gelenkten Putschversuchs.

Damals wie heute – stets ist es offenbar der Westen, der die in Harmonie mit ihren Unterdrückern lebenden Völker in den Aufstand hetzt. Damals wie heute – die Kommunisten in der Linkspartei, darunter sechs Mitglieder der Bundestagsfraktion, haben den Terror-Regimes in Damaskus und Teheran soeben ihre Solidarität und den Westen – die USA, andere Nato-Staaten und selbstverständlich Israel – mit seinen Provokateuren und Agenten zum Urheber der Massenmorde erklärt.

Geschichte wiederholt sich gern, dabei wechselt sie manchmal nicht einmal die Handlungsorte. Vor gut einem halben Jahr versicherten „Friedensaktivisten“ der Linken der radikalislamischen Hamas ihre Solidarität, weigerten sich einige Abgeordnete, einer Erklärung im Bundestag gegen Antisemitismus zuzustimmen, blieben zum Holocaust-Gedenktag drei von ihnen bei der Begrüßung des israelischen Präsidenten und Nobelpreisträgers Schimon Peres sitzen, riefen Linken-Politiker zum Boykott israelischer Waren auf, trat die Bundestagsabgeordnete Inge Höger mit einem Schal auf, der die Region mit und um Israel ohne den israelischen Staat zeigte, fuhren einige Abgeordnete – außer Höger auch Annette Groth und der frühere Parlamentarier und außenpolitische Fraktionssprecher Norman Paech – mit einer Schiffsflottille, bei deren Abfahrt „Tod allen Juden“ skandiert wurde. Denn der Feind meines Feindes ist mein Freund – daher dürfen, ja müssen sich die „Friedensaktivisten“ der Linken als Freunde der antisemitischen Hamas betrachten.

Es verwundert nicht, dass unter jenen Linken, die sich dem Massenmörder Assad und dem Terrorregime in Teheran verbunden fühlen, einige bereits im vergangenen Jahr ihre Solidarität mit der Hamas bekundet hatten, beispielsweise Paech und die Abgeordnete Annette Groth. Es ist auch nicht überraschend, dass alle sechs Bundestagsabgeordneten, die den Aufruf „Kriegsvorbereitungen stoppen! Embargos beenden! Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens!“ unterschrieben haben, westdeutsche Politiker sind, die meisten von ihnen in kommunistischen Gruppen gestählt und in Antisemitismus gehärtet. Schon eher ist erstaunlich, dass die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen, Sprecherin für internationale Beziehungen, mit der Bemerkung zitiert wird, der Aufruf decke sich mit der Linie der Partei, nicht unmissverständlich von den Vorsitzenden dementiert wird. Die Zurückhaltung lässt sich eventuell damit erklären, dass der Aufruf inzwischen von angeblich rund 1 000 Freunden Assads und des Teheraner Regimes unterzeichnet worden ist, nicht zuletzt von verdienten Stützen der ehemaligen DDR. Unterschrieben haben beispielsweise der ehemalige DDR-Botschafter in Venezuela, Otto Pfeiffer, der ehemalige DDR-Botschafter in Libyen, Wolfgang Bator, und der ehemalige DDR-Botschafter in China, Rolf Berthold, der 1989 auf Posten war, als auf dem Tian’anmen-Platz der Studentenaufstand in einem Massaker niedergeschlagen wurde, ein Ereignis, das Berthold mit den Worten würdigte: „Es blieb dann tatsächlich nur diese eine Möglichkeit: es mit bewaffneten Kräften zu beenden.“ So würde vermutlich Baschar al-Assad den mörderischen Einsatz seines Militärs zu erklären versuchen.

Oskar Lafontaine, der mit 68 Jahren die Zukunft der Linkspartei symbolisiert und deshalb wohl neben Gregor Gysi (63) als Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf ziehen wird, kritisiert, die Linke habe „zu viele Eigentorschützen, die ununterbrochen über Personalfragen quatschen“. Eigentore sind auch möglich, wenn Personalfragen verschwiegen werden. Sechs Bundestagsabgeordnete beispielsweise, die sich mit dem Massenmörder Assad öffentlich verbrüdern, lohnen allemal ein vertieftes Personalgespräch über Eigentore. Fliegt dieses Personal nicht endlich vom Platz, muss die Partei zu nächsten Spiel gar nicht mehr antreten.