Lieber Westen, arbeitet doch mal bei euch auf!

Wie der jüngste Skandal in NRW um Chatgruppen bei der Polizei zeigt, ist Rechtsextremismus kein spezielles Problem des Ostens.

Polizei in Nordrhein-Westfalen.
Polizei in Nordrhein-Westfalen.Imago/Noah Wedel

Berlin-Wenn man vor ein paar Jahren mit einem Buch über Ostdeutschland im Westen unterwegs war, erntete man oft die gleichen Reaktionen: „Bevor ihr etwas von uns fordert, arbeitet doch erst mal eure Vergangenheit auf“, hieß es. Damit war gemeint, man solle die DDR- und die NS-Zeit aufarbeiten. Die massive rechte Gewalt im Osten sei eine Folge der nicht aufgearbeiteten Nazi-Zeit, lautete die beliebte These. Ein ehemaliger Bundespräsident prägte den Begriff „Dunkeldeutschland“.

Es geht nicht darum, etwas kleinzureden oder wegzudrücken. Es geht darum anzuerkennen, dass der Rechtsextremismus kein singuläres Problem des Ostens ist. Der Ostbeauftragte Marco Wanderwitz (CDU) griff die These trotzdem vor einigen Tagen mal wieder auf. In einem Interview warnte er vor dem zunehmenden Rechtsextremismus im Osten. „Man muss leider sagen, dass der Rechtsextremismus in den neuen Ländern im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung mehr Anhänger findet, als das in den alten Ländern der Fall ist“, sagte er. Nun würde niemand bestreiten, dass es in den östlichen Bundesländern Probleme mit Rassismus gibt. 

Aber man fragt sich schon, warum der Ostbeauftragte ausgerechnet jetzt diesen Punkt macht. Und inwieweit er damit eine differenzierte Debatte über den Osten voranbringen will.

Man muss sich einfach nur die Nachrichten der vergangenen Wochen und Monate anschauen: Es sind mehrere rechtsextreme Chat-Gruppen bei der Polizei aufgeflogen, in Hessen, in Bayern, in Baden-Württemberg, zuletzt in Nordrhein-Westfalen. Nichts davon liegt in „Dunkeldeutschland“. In NRW flogen jetzt fünf rechtsextreme Chatgruppen auf, an denen mindestens 30 Polizisten beteiligt waren. Der Innenminister Herbert Reul sagte am Donnerstag, die Dimension sei noch nicht absehbar. Vielleicht habe man das Problem unterschätzt. Einige der Gruppen existierten wohl seit 2012.

Es gab Anschläge mit Todesfolge nicht nur in Halle und Sachsen-Anhalt, sondern auch in Kassel und Hanau, beides Hessen. Es gab einen Skandal um rechtsextreme Drohmails bei der Polizei in Hessen, der bis heute nicht aufgeklärt ist. Redet irgendjemand davon, dass Hessen ein Failed State sei, so wie das bei Sachsen in der Vergangenheit getan wurde?

Vielleicht haben auch die Westdeutschen etwas aufzuarbeiten.