Linke-Chef Riexinger: Riexinger - "Wir sind keine Kaderpartei"

Bernd Riexinger kommt aus dem Gewerkschaftslager, seit 2001 war er Geschäftsführer von Verdi im Bezirk Stuttgart. Zur Linkspartei kam er aus Protest gegen die Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung. Riexinger steht Oskar Lafontaine nahe – hat nun aber die Aufgabe, eine Spaltung der Linkspartei zu verhindern.

Herr Riexinger, Sie sind Bankkaufmann. Machen Sie jetzt eine psychotherapeutische Zusatzausbildung?
Nein. Ich bin ziemlich stabil.

Ich meine zur Therapie der Partei.
Nein. Natürlich hat sich auf dem Parteitag vieles zugespitzt. Aber die Situation hat sich jetzt beruhigt. Es ist eine Entscheidung gefallen. Und das Wichtigste ist, dass sie akzeptiert wird und Gräben zugeschüttet werden. Wir werden beweisen, dass wir zuhören und die Strömungen zu einem Politikentwurf zusammenfassen können. Deutschland braucht eine starke Linke.

Die Partei hat eine Antikapitalistische Linke, eine Sozialistische Linke und ein Forum Demokratischer Sozialismus. Ist das nicht Irrsinn?
Nein, das ist ein Erfolgskonzept, wenn es richtig gemacht wird. Wir sind keine Kaderpartei, sondern eine pluralistische linke Partei, in der Strömungen zusammen arbeiten für eine gemeinsame Sache. Dass das möglich ist, haben wir gezeigt. Wir haben unser Grundsatzprogramm mit 95 Prozent verabschiedet. Das ist für eine deutsche Linke sensationell.

Dennoch wirkt sie sektiererisch.
Das werden wir wegkriegen, in dem wir wieder deutlich machen, dass eine Mehrheit der Menschen gegen die Rente mit 67, Hartz IV und Auslandseinsätze der Bundeswehr sowie für einen gesetzlichen Mindestlohn ist. Wenn das alle begreifen, dann können wir auch wieder in die Offensive kommen.

Die Ost-Linke ärgert sich. Kennen Sie den Osten eigentlich?
Er wird mir gerade näher gebracht. Ich habe mir vorgenommen, sehr genau zuzuhören. Und wir treffen uns auch schon bald mit den Vorsitzenden der Ost-Landesverbände. Ich habe jedenfalls großen Respekt vor der Arbeit, die im Osten geleistet wird, und verstehe sowieso nicht, wo die inhaltlichen Barrieren sein sollen. Es macht keinen Sinn, das kommunalpolitische Engagement und die Beteiligung an sozialen Bewegungen gegeneinander auszuspielen. Das ergänzt sich.

Die Ex-PDS fühlt sich unterjocht.
Ich spüre dieses Gefühl. Wir müssen es aber als Stärke erkennen, dass wir die beiden Traditionslinien der Partei in Ost und West zusammen geführt haben. Wir sollten nicht das Trennende betonen.

Mal aufs Glatteis: Wer führt 2013 die Fraktion – Gysi oder Wagenknecht?
Über ihre Führung entscheidet die Fraktion, wenn es soweit ist. So weit ich weiß, will Gregor Gysi über 2013 hinaus weitermachen.

Wollen Sie 2013 in den Bundestag?
Nein. Ich werde 2013 nicht für den Bundestag kandidieren. Ich bin rund um die Uhr für die Partei da.

Sie sind gegen Schubladen. Dennoch: In welche gehören Sie?
Eine Stuttgarter Zeitung hat getitelt: „Streikführer und linker Visionär“. Das trifft es ganz gut. Ich sehe mich nicht als klassischen Gewerkschaftsfunktionär, sondern habe immer versucht, die Gewerkschaft für soziale Bewegungen zu öffnen. Insofern ist mein Spektrum deutlich größer. Ein linkes Projekt muss zudem eine Zukunftsvision haben, wie wir für die Menschen bessere Verhältnisse schaffen können - und zwar mit ihnen. Demokratischer Sozialismus ist nichts Zentralistisches. Die Menschen müssen mitmachen. Der finanzgetriebene Kapitalismus ist für die Mehrheit keine Option.

Bei Twitter wurden Sie als Ratzinger tituliert. Verheimlichen Sie uns was?
Nein. Bei aller Liebe. Der Vergleich geht schon altersmäßig zu weit. Und ich hoffe doch, dass das Pastorale nicht zu meinen Eigenheiten zählt.

Das Gespräch führte Markus Decker.